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Mut, an Wunder zu glauben

Matt Haig kleidet Lebensweisheiten in ein Weihnachsmärchen

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Für welches Alter das Buch gut ist? Nun, nicht für die ganz Kleinen. Für die Größeren, Älteren kommt es darauf an, ob sie sich auf ein Märchen einlassen wollen und können. Allzu viel Beschauliches gibt es zu dieser Jahreszeit, Glitzertand und verlogene Tröstungen. Aber das Urteil darüber, ob etwas verlogen ist oder nicht, sagt etwas über eigene Befindlichkeit. Wer sich in Bitternis vergraben hat, lässt nur noch Bitteres gelten. Das im übrigen auch bloß Massenware ist. Wer uns da täglich überschüttet mit Ängsten und Skandalen, hält sich für kritisch den Verhältnissen gegenüber und spielt doch oft nur eine Rolle darin.


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* Matt Haig: Ein Junge namens Weihnacht. A. d. Engl. v. Sophie Zeitz. Ill. v. Chris Mould. dtv. 266 S., geb., 18 €


Matt Haig hat mit seinen Büchern Erfolg, weil er schon mal ziemlich am Boden war. Depression mit Suizidgedanken - aus dieser Erfahrung heraus hat der britische Autor Mutmachendes nicht nur für sich, sondern auch für andere gesucht. »Ein Junge namens Weihnacht« gehört in die Reihe solcher Bücher.

Eigentlich heißt er Nikolas, »Weihnacht« ist sein Spitzname, weil er zu Weihnachten geboren wurde. Wenn zwei Festtage zusammenfallen, bedeutet das für ihn allerdings nicht, dass er besonders viele Geschenke bekommen würde. Er besaß nur einen Schlitten und eine Puppe, die seine Mutter ihm aus einer Steckrübe geschnitzt hatte. Die Mutter war tot, und der Vater verdiente als Holzfäller kaum so viel, dass sie etwas zu essen hatten. Trotzdem behauptet der Autor: »Nikolas war ein glückliches Kind.« Genauer gesagt: eines, das »an das Glück glaubte«.

Das Buch handelt von solchem Glauben. Da hat Matt Haig schon Recht, wenn er zu Beginn eine Warnung ausspricht: »Falls du zu den Menschen gehörst, die glauben, dass bestimmte Dinge unmöglich sind, dann solltest du dieses Buch lieber gleich weglegen.« Eigentlich glaubt der Ungläubige ja auch, wehrt sich nur dagegen, dass ihm etwas vorgegaukelt wird, wovon andere profitieren. Würde Nikolas indes zu den skeptisch Nüchternen gehören, wäre er schon längst verloren gewesen. Lange bevor die Wichtel an ihm »einen kleinen Drumwick« versuchten. Das konnte ihnen nur gelingen, weil sie Herzensgüte in ihm entdeckten. Dann aber zeigte sich: Die meisten Wichtel waren schon selbst nicht mehr gut. Ihr Anführer hatte ein Gesetz erlassen, dass jeder zuerst an sich denken sollte. »Fröhlichkeit und Heiterkeit sind zu jeder Zeit zu vermeiden.« Nikolas muss also nicht nur sich selber, sondern auch noch die kleinen Gesellen mit den großen Ohren retten.

Wichtel, Trolle, Elfen, ein fliegendes Rentier, ein gieriger König - allerhand Märchenpersonal ist aufgeboten. Und im Hintergrund die Not. Was in Finnland, wo die Geschichte spielt, Vergangenheit ist, anderswo in der Welt gilt es noch heute. Solche Fragen sind nicht angesprochen, aber mitgedacht. Im Vordergrund allerdings ein Märchen, das sich als spannendes Abenteuer entfaltet: ein gefährlicher Weg, eine gewagte Flucht, ein entführtes kleines Kind, die Gier der Benachteiligten und eine Schuld, die wiedergutgemacht werden muss, sonst wird das Schlimme immer die Oberhand behalten. Etwas zurückgeben, Verantwortung übernehmen, sich nicht hinreißen lassen, Böses mit Bösem zu vergelten - da weht etwas herüber aus unserer kulturellen Tradition, auf das wir uns insgesamt in der Gegenwart nicht meinen, verlassen zu können. Doch über sich selbst hat der Einzelne Macht.

Da es eine Weihnachtsgeschichte ist, wird manches auch harmonisiert. Aber das Merkblatt über »Die Kunst, in schlechten Zeiten fröhlich zu sein« gibt doch manches zu bedenken.

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