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Was das Leben noch so bietet
Dagmar Leupold lässt vier Frauen auf eine Reise gehen
Listig und anspielungsreich nennt Dagmar Leupold ihr neues Buch einen Abenteuerroman. Doch nicht von Aufbrüchen in ferne Kontinente und Regionen wird darin erzählt, sondern - höchst prosaisch - von einer Reise durchs Moseltal bis zur Quelle und der Weiterfahrt durch Frankreich. Am Ende geht es dann wahrscheinlich in Richtung Atlantikküste.
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* Dagmar Leupold: Die Witwen. Ein Abenteuerroman. Verlag Jung & Jung. 234 S., geb., 22 €.
Diejenigen, die diese Reise als Ausbruch aus ihrem kleinstädtisch-provinziellen Alltag planen, bezeichnen sich als vier Witwen, die sie nicht sind, auch mal als alte Schachteln. Da niemand von ihnen den Führerschein besitzt, haben sie via Annonce einen Chauffeur samt Auto gesucht: »Wir (4 Frauen ü 50)«, so der erste Entwurf für den Anzeigentext, »suchen für eine Bildungsreise einen Chauffeur mit Führerschein Klasse I und Fremdsprachenkenntnis-sen … Vorschläge, das Reiseziel betreffend, sind willkommen, Spesen werden übernommen, Honorar Verhandlungssache«.
Und er sollte, ja, was sollte er noch sein? »Schwarzhaarig, nein, egal, Hauptsache Haare, kein Ohrring, keine Tattoos. ›Er muss Gesellschaftsspiele hassen, kochen können und zuhören.‹ Keine behaarten Schultern, keine kurzen Zehen und keine Sandalen. Keinen Nackenwulst. Keine Fotos im Portemonnaie. Keine Cargohosen und kein T-Shirt mit Sprüchen. Ebenso wenig halbärmelige Hemden, nur lange Ärmel aufgekrempelt.«
Oje. Die Wahl fällt auf einen Nachbarn, Bendix, der sich nach einer gescheiterten Beziehung ebenso in die Kleinstadt Steinbronn (ins mütterliche Haus) zurückgezogen hat wie die vier Frauen Dodo, Penny, Beatrice und Laura, die das großstädtische Leben in Berlin gegen die beschauliche Moselidylle getauscht haben. So leben sie im engen Rayon, treffen sich allwöchentlich zum Stammtisch, aber immer wieder auch mal so, um die Idee ihrer Reise als Unterbrechung ihres Alltags zu entwickeln. Was aber tatsächlich auf sie zukommt, ist eigentlich nur die Fortsetzung ihres gewohnten Lebens an anderen Orten, ist die stinknormale, übliche Bildungsreise - bis ihr kleiner Fiat Ulysse irgendwo in der Nähe von Mulhouse eine Panne hat und sie steckenbleiben.
Dadurch aber - sozusagen durchs Angehaltenwerden von Raum und Zeit - entsteht in der vermeintlichen Langeweile ein weiterer, neuer Erzählraum, denn nacheinander beginnen die vier Freundinnen nun über Momente ihres Lebens zu sprechen. Denn obwohl sie sich bereits seit der Schulzeit kennen, ist ihnen voneinander vieles unbekannt.
Die eine, Dorothea, wurde nach dem frühen Tod des Vaters in eine Sonder- und Außenseiterrolle gedrängt. Die andere, Laura, ist von ihren Eltern stets zurechtmodelliert worden und hat noch nie eine lustvolle und befriedigende Beziehung zu Männern erlebt. Dann Beatrice, die jahrelang als Zweitfrau eines italienischen Gigolo im Schatten gestanden hat, oder schließlich Penny, deren Beziehung zu Otto ins Grundsätzliche überhöht und von philosophischen Reflexionen durchdrungen wird. Ja, es scheint, als beginne jetzt erst das eigentliche und wirkliche Abenteuer, von dem dieser wundervolle Roman erzählt: nämlich das Sich-Wiederfinden, nachdem mit den Verlustbilanzen einmal abgeschlossen worden ist. Da deutet sich die Utopie, das Märchen, die Phantasie von einer jeweils neuen (oder möglicherweise einer gemeinsamen neuen) Existenz an.
Bendix erblickte sie, »in einer Viererreihe auf den Ulysse zumarschierend, eine Viererreihe, welche die volle Breite des Bürgersteigs einnahm. - Er sprang aus dem Auto, kümmerte sich nicht um das schmerzende Bein und breitete beide Arme aus. ›Wohin?‹, rief er. - ›Ans Meer!‹, riefen alle, die Gesichter von der Morgenluft blank geschrubbt.«
Vielleicht, könnte man sich sogar vorstellen, gründen sie zu fünft ja noch eine Alters-WG.
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