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Die Herren der Hölle

David Talbot hat einen Sachbuchthriller über den Aufstieg der CIA geschrieben

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die besten Spionagethriller liefert nicht Hollywood, sondern immer noch die CIA. Auf diesen Punkt lässt sich David Talbots Buch bringen. Es benennt im Untertitel, mit welch diabolischen Akteuren er sich befasst hat: »Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung«.


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* David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. A. d. Am. v. Andreas Simon dos Santos. Westend. 603 S., geb., 28 €.


Talbot arbeitete beim »San Francisco Examiner«, war Herausgeber von »Mother Jones« und schrieb für »The New Yorker«, das »Time-Magazine« und den »Guardian«. Ein neuer Bestseller von ihm ist nun auf Deutsch im Westend-Verlag erschienen. Dieser ist oft gut für Veröffentlichungen, die andere Häuser ablehnen oder nicht kriegen. Womit gesagt sei, dass Titel dieses Editionshauses - 2016 u. a. das außenpolitische Porträt über »Die Chaos Königin« Hillary Clinton - den Mainstream eher meiden und damit, zwangsläufig, polarisieren.

So reißerisch wie der Titel klingt, so verwegen liest sich Talbots Report über den Aufstieg des 1947 gegründeten US-Auslandsgeheimdienstes CIA zur - wie der Autor nahelegt - heimlichen Regierung der Vereinigten Staaten. Und dies unter Regie von Allen Welsh Dulles, CIA-Chef 1953 bis 1961, nach Ansicht des Autors in Wahrheit aber viel länger. Talbot veranschaulicht anhand wichtiger Lebensstationen von Allen Dulles (1893 - 1969) und am Beispiel geschichtlicher Schlüsselereignisse die Machtlust der Person im Verein mit dem Machthunger der USA. Beginnend mit Dulles‘ Geheimdienstarbeit für den CIA-Vorläufer OSS im Krieg in der Schweiz, als Allen wiederholt mit Nazis kungelte und eine hohe Charge wie Reinhard Gehlen auf die Karriere als BND-Chef vorbereitete, breitet der Autor ein Panorama von Gewalttaten aus: Umstürze demokratischer Regierungen in Iran oder Guatemala; Attentate auf Männer wie Lumumba, Überfälle wie 1961 in der Schweinebucht und - wahrhaft endlose - Mordversuche gegen Castro.

Eine tragende Säule im Buch ist der Konflikt zwischen Dulles und John F. Kennedy. Der Konflikt beginnt bereits vor dessen Amtseinführung, als die CIA den jungen Präsidenten in alte Muster des Kalten Krieges fesseln will. JFKs Versuch, den Geheimdienst wieder unter Kontrolle des Präsidenten zu bringen, einen Mut, den weder Truman noch Eisenhower besaßen, leitete für Talbot »das schicksalhafteste Drama« der Kennedy-Präsidentschaft ein. In dessen Ermordung im November 1963 in Texas fand die Tragödie ihren Höhe-, nicht ihren Schlusspunkt.

Talbots Theorie, die keinen ultimativen Beweis des »rauchenden Colts«, jedoch mehr als ein bemerkenswertes Indiz besitzt, geht im Kern von Kennedys Ermordung durch die CIA unter der Regie Dulles‘ aus. Seine Argumentation: Anfangs im Hintertreffen gegenüber dem bis heute längst-amtierenden Geheimdienstchef, der ihn ins Schweinebuchtdebakel lockte, habe sich JFK dann als gelehriger Schüler von Washingtons Machtspielen gezeigt und es als erster Präsident gewagt, Dulles zu entfernen. »Doch Dulles’ erzwungene Pensionierung dauerte nicht lange, nachdem Kennedy sich im November 1961 von ihm getrennt hatte. Statt sich gemächlich in den Ruhestand zu fügen, verhielt sich Dulles weiter so, als wäre er immer noch der Geheimdienstchef der USA, und es war der Mann, der seine glanzvolle Karriere beendet hatte, der Präsident selbst, den er jetzt ins Visier nahm.«

Der Autor stützt seine These mit der bis heute fehlenden objektiven Aufarbeitung des Mords, mit der aberwitzigen Harvey Oswald-Einzeltäter-Theorie und mit einer Untersuchungskommission, die mit fügsamen Parlamentariern bestückt und von keinem anderen als Allen W. Dulles beherrscht gewesen sei. Wie stichhaltig die Grundthese ist, ist offen für weiteren Streit. Auch die nach Ansicht des Rezensenten allzu positive, bisweilen geradezu romantische Wertung Kennedys weckt Widerspruch. Es bleibt aber Talbots Verdienst, eine Geschichte analytisch bereichert zu haben, deren Fazit bedrückend ist. Talbot zitiert CIA-Veteran James Angleton aus dessen Beichte kurz vor dem Tod über die CIA-Chefs seiner Ära, allen voran Dulles: »Wenn man in einem Raum mit ihnen war, so war man in einem Raum voller Leute, von denen man annehmen musste, dass sie verdientermaßen in der Hölle landen werden.«

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