V-Mann first

Geheime Absprachen zu NSU-Ermittlungen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Carsten Szczepanski, alias »Piatto«, hat sich der Brandenburger Verfassungsschutz stets viel Mühe gegeben. Man betrog sogar die Justiz, um den Neonazi, der wegen versuchten Mordes an einem Asylbewerber im Gefängnis saß, rauszuholen und in der rechtsextremen Szene einzusetzen. So war »Piatto« auch dicht am sogenannten NSU-Kerntrio, das nach der Entdeckung seiner Bombenbauwerkstatt in Jena 1998 untergetaucht war. Kurz danach gab der Zuträger einen der wenigen brauchbaren Hinweise zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Sie planten noch einen weiteren Überfall zu begehen, um dann nach Südafrika abzudüsen. Führende Mitglieder des Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour« in Chemnitz wollten - so die Meldung des V-Mannes - Papiere und Waffen für die drei besorgen. Die Meldung blieb folgenlos, so konnten die Rechtsterroristen in den folgenden 13 Jahren mindestens zehn Menschen umbringen, Bomben explodieren lassen und Überfälle begehen.

Im Nebel blieb, wie tief Szczepanski und möglicherweise seine Auftraggeber selbst in die NSU-Waffenbeschaffung verstrickt waren. Insbesondere »Piattos« Kontakt zum sächsischen Blood&Honour-Aktivisten Jan W. lässt einiges ahnen. Im Zuge der NSU-Folgeermittlungen beschäftigte sich das Bundeskriminalamt (BKA) auch mit dem V-Mann. In ersten Vernehmungen gingen das BKA - richtig - davon aus, dass der mehr weiß. Die Neugier ließ nach. Nicht von alleine. Am 28. Januar 2013 hatte der Generalbundesanwalt (GBA), der seit dem 11.11.2004 sämtliche NSU-Ermittlungen an sich gezogen hat, zum Gespräch nach Karlsruhe geladen. Erschienen waren drei Bundesanwälte, ein Staatsanwalt, die damalige Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes, ein Mann des BKA sowie zwei Herren des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Sinn des Treffens? Der mutmaßliche Anteil des V-Mannes an der Waffenbeschaffung wurde kleingeredet. Und siehe da, das BKA »räumte ein«, alles falsch beurteilt zu haben. Es steht zu vermuten, dass es auch bei anderen in den NSU-Fall involvierten V-Leuten ähnliche Ermittlungs- und Aussageabsprachen zwischen dem GBA, der im Münchner NSU-Prozess die Anklage vertritt, dem BKA und Verfassungsschutzbehörden gegeben hat.

Im Fall »Piatto« ist allerdings die Teilnahme der Herren B. und A. vom BfV auffällig. Das Amt hat eigentlich nichts mit den besprochenen Fragen zu tun. Als die Linksfraktionsobfrau Petra Pau die damalige Chefin der Abteilung Rechtsextremismus im BfV - Arbeitsname Dienchen Büddenfeld - am Donnerstag danach fragte, wusste die glaubhaft von nichts. Sie war nach dem Auffliegen des NSU wohl vor allem als unbelastete Ahnungslose in die Funktion geschoben worden.

Es gibt mehrfach Indizien dafür, dass »Piatto« von seinem Ex-Arbeitgeber so extrem geschützt wird, weil seine NSU-Hinweise nur »Beifang« und er von einem anderen Dienst mit - damals - wichtigeren Aufgaben betraut worden war. Szczepanski, der Mann des Ku-Klux-Klan, der die T-Shirts der militanten Blood&Honour-Kampftruppe Combat 18 nicht nur aus modischen Gründen trug, hatte beste Kontakte in Richtung USA und Schweden. Auffällig ist, dass das Brandenburger Innenministerium - als es auf höchst rüde Art eine Aussage »Piattos« vor dem Münchner Gericht sowie die Offenlegung von Akten zu verhindern suchte - argumentierte, das »Wohl des Bundes und eines deutschen Landes« gerate in Gefahr.

Szczepanskis Aussage vor dem Gericht 2015 in München war übrigens wertloser als ein Wetterbericht aus dem Jahre 1817 für das kommende Wochenende.

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