Italiens Premier Renzi tritt nach Pleite bei Referendum zurück

Fast 60 Prozent laut Hochrechnungen gegen Verfassungsreform / Spanische Linkspartei begrüßt Ablehnung / Giegold: Referendum keine Abstimmung über EU

  • Lesedauer: 3 Min.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat nach dem Scheitern der Verfassungsreform seinen Rücktritt angekündigt. Er reiche am Montag bei Staatspräsident Sergio Mattarella den Rücktritt ein, sagte er in der Nacht in Rom. Hochrechnungen zufolge stimmten am Sonntag knapp 60 Prozent der Wähler gegen das Vorhaben. Die Wahlbeteiligung lag bei fast 70 Prozent. Renzi hatte das Referendum auch zu einer Abstimmung über seine Regierung gemacht und für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt in Aussicht gestellt. Bereits am späten Abend räumte er die Niederlage ein.

Renzi hatte vor der Abstimmung in Aussicht gestellt, bei einem »Nein« zurückzutreten. Für den Fall eines Scheiterns waren zudem neue Turbulenzen an den Finanzmärkten und in der Eurozone erwartet worden. Renzi selbst hatte sich von einem Ja Rückenwind für Veränderungen in Europa erhofft.

Für den Sozialdemokraten und seine Partei Partito Democratico (PD) ist das Ergebnis die schwerste Schlappe der fast dreijährigen Amtszeit. Gegner der Reform waren unter anderem die euro-kritische Fünf-Sterne-Protestbewegung, die rechtspopulistische Lega Nord und die Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Im Vorfeld hatten Experten vor Marktturbulenzen im hochverschuldeten Italien nach einem »Nein« gewarnt. Denn politische Instabilität könnte die lahme italienische Wirtschaft weiter belasten und Krisenbanken wie Monte dei Paschi di Siena weiter nach unten reißen.

Die »Boschi-Reform«, benannt nach der Reformministerin Maria Elena Boschi im Renzi-Kabinett, sollte das Zwei-Kammer-System vereinfachen. So sollte der Senat von 315 Mitgliedern auf 100 gestutzt und nicht mehr vom Volk gewählt werden. Auch hätte er nicht mehr das Recht gehabt, über alle Gesetze abzustimmen. Renzi hatte argumentiert, dass damit die dauernden Regierungsblockaden in Italien aufgelöst würden.

Alle Augen werden sich nach dem »Nein« nun vor allem auf Staatspräsident Sergio Mattarella richten, der jetzt entscheiden muss, wie es weiter geht. Bei einem Rücktritt Renzis ist es möglich, dass eine Übergangsregierung aus Technokraten eingesetzt wird, bis es neue Parlamentswahlen 2018 gibt. Möglich sind aber auch Neuwahlen im kommenden Jahr. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Renzi nicht zurücktritt oder dass Mattarella ein Rücktrittsgesuch Renzis ablehnt.

Der Ko-Vorsitzende der LINKEN, Bernd Riexinger, hat das Scheitern der Verfassungsreform von Renzi begrüßt. »Ministerpräsident Renzi wollte mit dem Referendum einen Demokratieabbau vorantreiben, um sein neoliberales Programm durchzusetzen«, erklärte Riexinger in der Nacht zum Montag. »Der Theaterdonner, die Katastrophenszenarien wie der Untergang des italienischen Bankensektors, das Heraufbeschwören eines ‘Italexit’ haben für eine sehr polarisierte Stimmung gesorgt«, kritisierte Riexinger. Er machte Renzi mitverantwortlich für das Scheitern der Reform, da er sein politisches Schicksal an den Ausgang des Referendums geknüpft habe.

Auch die spanische Linkspartei Podemos hat das Nein begrüßt. »Überwältigender Sieg des Neins zur Verfassungsreform Renzis. Jetzt müssen wir ein Europa der Völker aufbauen«, twitterte die Nummer zwei der Partei, Íñigo Errejón, am Montag. Auch der Podemos-Abgeordnete Pablo Bustinduy feierte das Ergebnis: »Wieder hat das Establishment in Brüssel verloren.«

Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold hat unterdessen davor gewarnt, das Nein der Italiener zur Verfassungsreform mit einem Nein zu Europa gleichzusetzen. »Schmeißt nicht alles durcheinander!«, schrieb der Politiker auf Twitter. Es habe sich um eine Abstimmung über eine Verfassungsänderung und den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi gehandelt - nicht über Europa. Agenturen/nd
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