Keine Handhabe für Hysterie
Polizeistatistik: Kriminalitätsrate bei Flüchtlingen sinkt
Es scheint allgemein bekannt und erwiesen: Die Ausländerkriminalität steigt. Doch stimmt die Behauptung? Gewöhnlich dient ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) der Aufklärung. Die PKS-Statistik zeigt: Die Behauptung stimmt nicht, wo mit ihr die Kriminalität von Flüchtlingen gemeint ist.
Ein Sonderbericht des Bundeskriminalamts eigens zu dieser Gruppe wurde im Juni veröffentlicht. Im ersten Halbjahr 2016 wurden danach 142.500 Fälle registriert, bei denen zumindest ein Zuwanderer als Tatverdächtiger erfasst wurde. Als »Zuwanderer« werden Asylberechtigte, Asylbewerber, Geduldete, Bürgerkriegsflüchtlinge und auch sich unerlaubt in Deutschland aufhaltende Personen zusammengefasst. »Die Fallzahlen von Straftaten, begangen durch Zuwanderer«, seien damit von Januar bis Juni 2016 um 36 Prozent zurückgegangen. Die häufigsten Kriminalitätsfälle waren Vermögens- und Fälschungsdelikte (30 Prozent), Diebstahlsdelikte (27 Prozent) sowie Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (23 Prozent). Innerhalb dieser Delikte ging es vor allem um Beförderungserschleichung, also Schwarzfahren, und Ladendiebstahl sowie Körperverletzungen. Diese wiederum wurden zu einem großen Teil gegenüber anderen Zuwanderern begangen. Was die Nationalität der Täter angeht, so waren Syrer, Afghanen und Iraker gegenüber ihrem Anteil an der Gruppe der Zuwanderer insgesamt unterdurchschnittlich an Straftaten beteiligt. Ein Vergleich zur Zahl deutscher Täter ist in der Statistik nicht angestellt, diese Auswertungen werden erst im nächsten Jahr vorgelegt.
Die Statistik zeigt, dass die Zahl der erfassten Fälle, an denen Flüchtlinge beteiligt waren, zuletzt absolut rückläufig war und zwar trotz steigender Flüchtlingszahlen. Das bedeutet noch nicht, dass die Ausländerkriminalität insgesamt sinkt oder gar, dass sie kein Problem wäre. Doch es zeigt, dass das subjektive Empfinden und auch der öffentlich, nicht zuletzt durch Medien geschürte Eindruck einer exorbitanten Zunahme von Ausländerdelikten mit Zurückhaltung besser beantwortet wären als mit dem Ruf nach Strafverschärfungen.
Die Zahlen sind zudem mit Vorsicht zu genießen, wie das BKA selbst deutlich macht. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden keine Täter erfasst, sondern Tatverdächtige. Der Verdacht bestätigt sich längst nicht immer, zu Verurteilungen führt eine Anzeige nur in jedem dritten Fall. Auch der relative Wert der PKS ist nur von bedingter Aussagekraft. So weisen die Zahlen für das Jahr 2014 aus, dass bei einem Anteil von rund zehn Prozent der Bevölkerung Ausländer an rund 28 Prozent der Straftaten beteiligt waren. Doch Fachleute machen auf Unsicherheiten aufmerksam. Migranten werden häufiger verdächtigt und auch häufiger angezeigt als Menschen ohne Migrationshintergrund. Wo die Vorurteile gegenüber Migranten stark sind, kommt es auch leichter zur Anzeige.
In der Polizeistatistik zur Ausländerkriminalität werden - außer in Sondererhebungen wie der zum ersten Halbjahr 2017 - die Anzeigen gegen »nichtdeutsche Verdächtige« aufgeführt. Hierzu zählen jedoch auch ausländische Touristen, Durchreisende, Studenten oder Angehörige hier stationierter ausländischer Streitkräfte. Nicht erfasst werden folgerichtig zum Beispiel die Anzeigen gegen Deutsche mit Migrationshintergrund. In Debattenforen werden diese aber häufig mit Flüchtlingen oder anderen Migranten über einen Kamm geschoren. Die Verschärfung von Asylgesetzen wird an ihrem Anteil an der Kriminalitätsstatistik jedoch nichts ändern. Der Anteil von Delikten der organisierten Kriminalität wiederum geht vor allem auf das Konto von international agierenden Banden, die etwa in Berlin bei Wohnungseinbrüchen zu 48,5 Prozent oder bei Taschendiebstahl sogar zu 86,7 Prozent die Gruppe der Tatverdächtigen dominieren.
Für einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität oder gar zwischen Religion und Kriminalität, wie er in vielen Debatten über das Gewaltpotenzial von Muslimen unterstellt wird, gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg. In einer Studie aus dem Jahr 2014 vertritt der Autor Christian Walburg die These, ein erhöhtes Vorkommen von Gewalttaten sei eher auf bestimmte Lebenslagen zurückzuführen als auf ethnische Herkunft oder Religion. So seien beispielsweise die Unterschiede in der Gewalttätigkeit zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund nahezu verschwunden, wenn diese die gleichen Bildungschancen hatten.
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