EuGH kippt die Vorratsdatenspeicherung
Europäischer Gerichtshof erklärt anlasslose Sammlung von Telekomdaten für unzulässig
Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union gekippt. Sie lasse «sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben» der Menschen zu, urteilte der EuGH in einem am Mittwoch in Luxemburg verkündeten Urteil. Ausnahmen sind demnach bei konkreter Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und zur Bekämpfung schwerer Straftaten weiter möglich. Damit dürfte auch Deutschland sein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ein weiteres Mal überarbeiten müssen.
Dem aktuellen Urteil der Luxemburger Richter zufolge, greift die Speicherung von Telekommunikationsdaten so sehr in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens ein, dass die Datenspeicherung «auf das absolut Notwendige» beschränkt werden muss. Eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten zur Bekämpfung schwerer Straftaten sei aber zulässig. Entsprechende Gesetze müssten dazu «klar und präzise sein und Garantien enthalten, um Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen».
Bereits 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz in seiner damaligen Form für Verfassungswidrig erklärt, es sei nicht mit dem Telekommunikationsgeheimnis vereinbar. Eine überarbeitete Fassung trat am 18. Dezember 2015, trotz massiver Einwänden aus Zivilgesellschaft und Politik, in Kraft. Der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, kommentierte die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die deutsche Gesetzgebung mit einem polemischen Vergleich.«Wen das Pferd tot ist, muss man absteigen», so der Bundestagsabgeordnete auf Twitter.
Auch Teile der SPD begrüßten das Urteil. So kommentierte der Vorsitzende der Parlamentarischen Linken in der SPD, Matthias Miersch gegenüber der«Rheinischen Post»: «Ich fühle mich in meiner kritischen Haltung gegenüber der anlasslosen Speicherung bestätigt», sagte Miersch der in Düsseldorf erscheinenden´.«
Das Urteil des EuGH erging auf Anfragen von Gerichten aus Schweden und Großbritannien. Das Ende 2015 in Kraft getretene deutsche Gesetz schreibt Telekommunikationsunternehmen eine anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten für zehn Wochen vor. Danach müssen die Daten wieder gelöscht werden. Für Standortdaten, die bei Handygesprächen anfallen, ist eine verkürzte Speicherfrist von vier Wochen vorgesehen. AFP/nd
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