Hessens Polizisten wenden sich von etablierten Parteien ab
GdP-Landeschef: Beamte fühlten sich im Stich gelassen / Teilnehmer von Neonazi-Demo darf im Dienst bleiben
Berlin. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen, Andreas Grün, berichtet, dass sich zunehmend Beamte von den »etablierten Parteien« abwenden würden. Immer mehr Polizisten fühlten sich von der schwarz-grünen Landesregierung im Stich gelassen und politisch nicht mehr vertreten, sagte Grün im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.
Die Gründe dafür benennt Grün mit einer »in Deutschland einzigartig schlechten Lohnentwicklung bei ständig wachsenden Aufgaben« sowie einem hohen Überstundenaufkommen. Die schwarz-grüne Landesregierung stellt in den kommenden drei mehr als 1000 zusätzliche Polizisten ein. Die Lage entspanne sich dadurch jedoch kaum, meint Grün. Auch die Auszahlung von Überstunden, für die das Land in diesem 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, reicht Grün nicht aus. »Davon sind 13 Millionen Euro 2016 abgegolten worden, und dennoch treten wir immer noch bei rund drei Millionen Überstunden auf der Stelle.«
Neben der hohen Arbeitsbelastung, auch durch viele Sonderdienste, kritisiert der GdP-Landeschef einen ungerechten Umgang mit den Polizeibeamten bei der Besoldung. »Jetzt laufen wir 2017 in das dritte Jahr, in dem die Landesregierung vorhat, die Polizisten als Einzige in ganz Deutschland von der Besoldung weiterhin abzukoppeln. Das führt bei den Kollegen zu einer riesengroßen Enttäuschung, zu Verärgerung und Wut.« Die äußere sich in einem Vertrauensverlust gegenüber der Politik. »Ich sehe die Entwicklung mit ganz, ganz großer Sorge, weil uns auch nicht verborgen geblieben ist, dass sich zunehmend Polizeibeschäftigte von den etablierten Parteien abwenden«, deutet der GdP-Landeschef auf eine mögliche vermehrte Unterstützung von extrem rechten Kräften an. Konkreter wurde Grün jedoch nicht.
Auf den Fall eines hessischen Beamten, der zu Jahresbeginn an einer Neonazi-Demo teilgenommen und dort ein Transparent mit der Aufschrift »Asylbetrug macht uns arm« getragen hatte, ging weder Grün noch der Interviewer ein. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte erst Anfang Dezember im Innenausschuss des Landtags berichtet, dass der Beamte auf Probe im Dienst bleiben darf. Er habe eine »Ermahnung« erhalten, gegen die der Polizist Widerspruch einlegte.
Der Beamte auf Probe hatte nach Recherchen der »Frankfurter Rundschau« (»FR«) am 30. Januar, dem Jahrestag von Adolf Hitlers Machtergreifung, an einem Neonazis-Marsch durch den Ort teilgenommen. Unter den 150 Demonstranten war der Vorstand der hessischen NPD, Mitglieder der Partei »Die Rechte« und Neonazis vom »Freien Netz Hessen« vertreten.
SPD und Linkspartei in Hessen bewerten die Entscheidung, den Beamten im Dienst zu behalten, als falsch. »Wir halten eine solche Person nicht für geeignet für den Staatsdienst«, sagte der SPD-Innenpolitiker Günter Rudolph laut »FR«. Auch der FDP-Abgeordnete Wolfgang Greilich äußerte Befremden darüber, »dass jemand, der mit einem solchen Transparent herumläuft, im öffentlichen Dienst ist«.
Eine mögliche Unterstützung rassistischer Organisationen und Übergriffe durch Polizeibeamte war zuletzt vor allem im Zusammenhang mit den Pegida-Aufmärschen in Dresden Thema in Sachsen. Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) warf der Landespolizei im März eine fehlende Distanz zu extrem rechten Kräften vor. Er frage sich, »ob die Sympathien für Pegida und die AfD innerhalb der sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt«, sagte Dulig damals der Wochenzeitung »Die Zeit«. Die sächsische Linkspartei erneuerte diesen Vorwurf im Oktober. nd/Agenturen
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.