Antifa-Archiv und linke Büros von Vertreibung bedroht
In Berlin werden selbst Unternehmen weggentrifiziert: Die klassischen Gewerbehöfe in Altbauquartieren könnten bald verschwunden sein
In der Lohmühlenstraße 65 in Treptow war vor kurzem Schluss für die bestehenden Mieter, genauso wie für die Künstler, die das ehemalige Postamt in der Friedrichshainer Palisadenstraße 89 als Atelierhaus nutzten. Für die Mieter der Lausitzer Straße 10 in Kreuzberg – Kleingewerbebetriebe, Projekte und auch das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) könnte 2017 Schluss sein. Die Mieter der Weddinger Gerichtshöfe – Künstler und kleine Unternehmen – haben gerade zwei Jahre Aufschub bekommen, bevor die Umbaupläne umgesetzt werden sollen.
Es ist offensichtlich. Nicht nur günstige Wohnungen werden rar in der Hauptstadt, auch bezahlbare Gewerberäume fehlen, der wirtschaftliche Aufschwung schlägt auch hier durch. Dem Marktreport der Maklerfirma Angermann zufolge stieg die durchschnittliche Quadratmetermiete für Büroflächen in Berlin von 13 Euro im Jahr 2012 auf 15,80 Euro im 3. Quartal 2016, gleichzeitig sank der Leerstand von 5,1 Prozent auf 3,3 Prozent. Gewerbemieter wie Projekte, Einzelunternehmer oder auch kleine Industriebetriebe haben nicht nur praktisch keinen Schutz für Kündigung oder saftigen Mieterhöhungen. Dazu bekommen sich auch noch bei den von ihnen benötigten Räumen gleich von mehreren Seiten Konkurrenz.
Das ist einerseits die expandierende Startup-Szene, deren Gründer häufig in sogenannten Coworking Spaces unterkommen – großen Gemeinschaftsbüros, in denen Räume, Etagen oder Schreibtische einzeln vermietet werden, zu häufig hohen Preisen. Der Anbieter Factory ist sowohl bei der Palisaden- als auch in der Lohmühlenstraße involviert. Die Künstler in Friedrichshain haben immerhin noch das vage Versprechen, dass sie durch eine Aufstockung neue Räume bekommen könnten.
Eine weitere Konkurrenz ist die Umwandlung in Wohnraum, wie in der Lausitzer Straße in Kreuzberg. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte keine Handhabe, die Nutzungsänderung zu verbieten. »Das Umwandlungsverbot betrifft tatsächlich nur Flächen, die vorher Wohnraum gewesen sind«, bedauert Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE). In einem ersten Schritt müsse vor allem gesehen werden, wie die landeseigenen Wohnungsunternehmen das Defizit an preiswerten Gewerbeflächen auffangen können. »Der Koalitionsvertrag sieht auch eine Bundesratsinitiative für ein Gewerbemietrecht vor«, sagt Lompscher. Eine weitere Initiative soll den Milieuschutz auch auf Gewerberaum ausweiten. »Auf welche Resonanz wir damit bei den anderen Bundesländern stoßen, kann nicht noch nicht abschätzen«, so Lompscher.
Zumindest im Fall der Gerichtshöfe kann die frischgebackene Senatorin noch intervenieren. Der Umbau und die Errichtung von Studentenwohnungen ist nämlich ein Projekt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU. Die Aufschub der geplanten Maßnahmen um zwei Jahre könnte ein Indiz dafür sein, dass das Unternehmen die Pläne noch einmal überdenkt. Der Druck auf die traditionellen Gewerbehöfe und ihre Mieter wird allerdings in nächster Zeit nicht abnehmen.
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