Serbien bringt Kosovo in Zugzwang
Mit der Provokation auf dem Schienenweg begibt sich Belgrad erneut auf den Holzweg
Ein dezentes Design sieht anders aus. Der Schriftzug »Kosovo ist Serbien« prangt in 21 Sprachen auf dem in den Landesfarben rot-blau-weiß lackierten Zug, den die serbischen Eisenbahnen am Wochenende erstmals seit dem Kosovo-Krieg 1999 wieder von der Hauptstadt Belgrad in Richtung der seit 2008 unabhängigen Ex-Provinz auf die Reise schickten. Sitzkissen in den Landesfarben und Ikonenmotive aus den Kosovo-Klöstern sollen die patriotische Stimmung der Reisenden heben. Doch zumindest auf seiner Premierenfahrt gelangte der Propagandazug aus russischer Fertigung nicht ans Ziel.
Weil Kosovos Regierung die Anweisung gab, den Zug »um jeden Preis zu stoppen«, und Sondereinsatzkräfte an die Grenze entsandt hatte, machte Belgrad selbst dessen Fahrt im grenznahen Raska ein Ende: Mit Bussen setzten die Reisenden ihre Fahrt in die geteilte Kosovo-Stadt Kosovoska Mitrovica fort. Pristina habe »Kriegsspiele« vorbereitet, um einen »Konflikt größeren Ausmaßes zu provozieren«, entrüstete sich Serbiens Premier Aleksandar Vucic. Um den »Frieden zu bewahren«, habe er den Zug stoppen lassen: »Doch dies ist die letzte Warnung an die Albaner: Serbien wird nicht zulassen, dass Serben mit Waffen angegriffen werden.«
Pristina wirft Belgrad hingegen den erneuten Versuch der gezielten »Destabilisierung« des Staatenneulings vor. Kosovo respektiere den freien Personen- und Güterverkehr, versicherte Staatschef Hashim Thaci. Doch die Einreise des mit »nationalistischen Parolen« versehenen Zuges sei »absolut unakzeptabel«: »Dieser Zug ist eine Provokation.«
Es knistert somit wieder einmal kräftig im Gebälk der labilen Nachbarschaftsehe. Der 2008 erklärten Unabhängigkeit des mittlerweile von 110 der 193 UN-Mitglieder anerkannten Kosovos verweigert Belgrad bis heute die Anerkennung. Der zähe, von der EU seit 2011 forcierte Nachbarschaftsdialog zur Normalisierung des grenzüberschreitenden Alltags hat bisher fast nur Papier-Fortschritte gebracht: Der Großteil der Vereinbarungen des Brüsseler Abkommens von 2013 wurde von den unwilligen Partnern noch immer nicht umgesetzt.
Nicht nur die zeitweise Inhaftierung und vorläufige Freilassung von Kosovos Ex-Premier Ramush Haradinaj in Frankreich aufgrund eines serbischen Haftbefehls haben die Beziehungen in der letzten Woche erneut unter Druck gesetzt. Es sind Serbiens nahende Präsidentschaftswahlen, die derzeit dessen Verhältnis zu den meisten Nachbarn überschatten.
Die Profilierung auf Kosten der Nachbarn ist in allen Ländern des früheren Jugoslawiens ein bewährtes Wahlkampf-Rezept.
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