Friede, Freude, Aufbruchstimmung

Die SPD zeigt sich bei ihrer Fraktionsklausur in Erfurt betont harmonisch

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf ihrer Fraktionsklausur in Erfurt bemühte sich die Spitze der Berliner SPD, ein positives Bild der innerparteilichen Stimmungslage zu vermitteln. Die »Euphorie und Aufbruchstimmung« der Anfangstage der rot-rot-grünen Koalition sei auch auf der Klausur wieder spürbar gewesen, sagte Fraktionschef Raed Saleh am Sonntagvormittag vor Journalisten. In Erfurt tagten die 38 Abgeordneten der Berliner SPD-Fraktion von Freitag bis Sonntag gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister, den SPD-Senatoren und deren Staatssekretären, um die strategischen Weichen für die laufende Legislaturperiode zu bestimmen. »Die Klausur war aus meiner Sicht ein großer Erfolg«, sagte Saleh. Es habe sich wieder gezeigt: »Unser gemeinsames verbindendes Element ist die Gerechtigkeit.«

In erster Linie stellten die SPD-Senatoren sowie der Regierende Bürgermeister Michael Müller das bereits bekannte 100-Tage-Programm ihrer Ressorts vor. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen kündigte an, bis spätestens April einen Tarifabschluss für Erzieher und Grundschullehrer zu erzielen, der dann mindestens für die nächsten zwei Jahre bindend sei. »Ich gehe davon aus, dass sich auf den Gehaltszetteln noch in diesem Halbjahr etwas tun wird.« Auch beim neuen SIWA-Gesetz drückte er aufs Tempo: Das bisherige Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt soll künftig den Nachtrag »und Nachhaltigkeit« erhalten und mit SIWANA abgekürzt werden. Es ist 2017 prall gefüllt, da der Haushaltsüberschuss für 2016 mit 1,25 Milliarden Euro unerwartet hoch ausfiel. Saleh hatte Kollatz-Ahnen daher in seiner Eingangsrede scherzhaft als »Milliardär« bezeichnet. Nun stellte Kollatz-Ahnen - ganz Bürokrat - klar: »Das Volk von Berlin hat die Milliarde. Ich bin als Dorfschulze dafür zuständig, sie gut anzulegen.« Und noch eines stellte Kollatz-Ahnen klar: »Wir haben seit fünf Jahren positive Ergebnisse. Das sind keine Zufallstreffer.«

Trotzdem räumte der Finanzsenator auch Fehlentscheidungen ein, die das Land Geld gekostet hätten. 1,1 Milliarden Euro musste das Land im Jahr 2016 für Flüchtlinge aufbringen. »Darunter ist ein kleiner Millionenbetrag, den wir nicht hätten ausgeben müssen. Wenn wir schneller gewesen wären mit dem Auszug aus Turnhallen«, so Kollatz-Ahnen, hätte ein Teil des Geldes eingespart werden können. Die Unterbringung in Turnhallen sei teurer als in anderen Unterkünften. Zu höheren Kosten habe auch beigetragen, dass viele Flüchtlinge länger als notwendig Zuwendungen als Asylbewerber erhielten. Nach der Anerkennung sind die Jobcenter zuständig. Das sei für das Land Berlin finanziell günstiger. Der Anerkennungsprozess dauert allerdings noch immer meist mehrere Monate, in Einzelfällen auch zwei Jahre.

Innensenator Andreas Geisel wiederholte in seinem Vortrag das Vorhaben von Rot-Rot-Grün, dem Personalmangel bei Feuerwehr und Polizei entgegenzutreten. Dazu brauche es nicht nur mehr Stellen, sondern auch mehr Anreize, sich für den Dienst zu bewerben. Die Besoldung bei der Feuerwehr will Geisel daher erhöhen und an den Bundesschnitt angleichen. Zudem soll die Ausstattung der Polizei verbessert werden. Nachdem bereits im vergangenen Jahr deutlich wurde, dass nur elf von 73 Schießbahnen der Polizei genutzt werden können und Polizisten daher entweder gar nicht üben können oder nach Brandenburg ausweichen müssen, kündigte Geisel an, den Schießstand Wannsee noch in der ersten Jahreshälfte 2017 sanieren zu lassen. Saleh hatte zudem zuvor eine »Respekt-Offensive« für die Berliner Polizei gefordert, mit der deren Wertschätzung in der Bevölkerung gesteigert werden solle.

Nach ihrer Konstituierung hatte die rot-rot-grüne Koalition einen verkorksten Start hingelegt. Der gipfelte am 14. Januar in der Forderung Müllers, den wegen seines Umgangs mit seiner Stasi-Vergangenheit umstrittenen Wohn-Staatssekretär Andrej Holm (parteilos, für LINKE) zu entlassen. Zwei Tage später erklärte Holm selbst seinen Rücktritt. Auf der Klausur stellte sich Saleh hinter Müllers Entscheidung. Der Regierende Bürgermeister habe »richtig gehandelt, als er Holm vor die Tür gesetzt hat«.

Vor allem die Causa Holm hatte zu Unstimmigkeiten in der Koalition geführt. Dass man künftig mehr kommunizieren wolle, das verkündeten die Fraktionen bereits am Donnerstag. Auf der SPD-Fraktionsklausur machte Saleh noch einmal deutlich, dass die Partei hinter der Koalition steht. »Wir schreiben gerade Geschichte«, sagte er. »Rot-Rot-Grün ist ein Experiment, das gelingen muss und das gelingen wird.« Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass ein solches Dreierbündnis manchmal kompliziert sei.

Am Sonntag diskutierte die SPD-Fraktion in Erfurt unter Ausschluss der Presse ihre Haltung zur AfD. Allgemein hieß es bereits zuvor, dass die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bisher wenig aggressiv aufgetreten sei. »Ich persönlich meine, dass man die AfD inhaltlich entlarven muss«, sagte Saleh. »Jeder weiß, dass wir auf Zuwanderung angewiesen sind, nur die AfD nicht. Jeder weiß, dass es in einer modernen Gesellschaft notwendig ist, dass wir uns gegenseitig in unserer Vielfalt aushalten. Diese Vielfalt macht uns stärker. Nur die AfD weiß das nicht.« Differenzieren müsse man zwischen Funktionären und Wählern und auch unter den Wählern. »Ich denke, man kann viele Menschen davon abhalten, die Rechtspopulisten zu wählen.« Einfach sei das nicht unbedingt. »Sozialdemokratie macht Arbeit.« Als eine Maßnahme will Saleh auch weiterhin an seinem Konzept festhalten, die Menschen an ihren Stammtischen in den Kneipen zu besuchen. Anfang Februar will sich die SPD mit Grünen und LINKEN zum Umgang mit der AfD abstimmen.

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