Berlin: Teilruine Jahnsportpark

Zu Besuch bei einem umkämpften Symbol der Ostmoderne in Berlin

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Bauschutt und denkmalgeschützte Flutlichtmasten im Abendrot
Bauschutt und denkmalgeschützte Flutlichtmasten im Abendrot

Die Teilruine direkt im Angesicht führt Phillipp Dittrich wortgewandt in die Geschichte des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks ein. Die Teilruine des Stadions im Berliner Bezirk Pankow erinnere derzeit durch die Baufeldfreimachung an den Urzustand in den 50er Jahren, sagt der Architekt Dittrich von der Bürgerinitiative Jahn-Sportpark.

Am frühen Mittwochabend hat der linke Bildungsverein Helle Panke zu einem Rundgang an der Großbaustelle Jahn-Sportpark geladen. Rund zwei Dutzend Personen folgen der Einladung. Neben Dittrich hebt die frisch gewählte Bundestagsabgeordnete von der Linkspartei, Katalin Gennburg, die Bedeutung des Sportparks für die angrenzenden Kieze im Prenzlauer Berg und die gesamte Berliner Stadtpolitik hervor.

Noch gestern im Profibetrieb

Einst ersonnen nach den Plänen alter griechischer Vorbilder wurde das Stadion auf Bauschutt erbaut. Seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig das Gerücht, dass unter dem Stadion das einstige Stadtschloss, zumindest Teile davon, liegen könnten. Archäologische Untersuchungen würden dazu noch ausstehen.

In den 80er Jahren wurde ein Funktionsbau hinzugefügt, das Stadion so Teil der sogenannten Ostmoderne. Nicht nur als solches hätte der Erhalt des Stadions aus Sicht des Architekten Dittrich eine Berechtigung. Der Abriss und Neubau eines erst 37 Jahre alten Stadions, in dem noch im vergangenen August ein DFB-Pokalspiel mit Erstligabeteiligung stattfand, sind aus Sicht Dittrichs »nicht nur finanziell, sondern in jeglicher Hinsicht nicht zu rechtfertigen«. Hier finde eine vollkommen vermeidbare Verschwendung von Geld, Material und Energie sowie »eine Zerstörung eines geschichtlichen und architektonischen Zeugnisses« statt. Endgültig absurd sei, dass der Neubau dieselbe Funktion und Dimension haben soll wie der abgerissene Bestandsbau: »Ein Fußball- und Leichtathletikstadion mit 20 000 Sitzplätzen«, so Dittrich.

Der Neubau ist schon heute ein Relikt

Ein weiterer Aspekt, der in den Planungen des Senates keine große Rolle zu spielen scheint, ist die Tatsache, dass der Sportpark schon in seinem derzeitigen Zustand eine Hitzeinsel mitten in der Stadt darstellt. Die derzeit stattfindende Rodung von Bäumen und Büschen schade somit nicht nur den hier brütenden Spatzen, sondern auch den Anwohnern, sagt Dittrich. Weitere Versiegelungen im Rahmen der geplanten Bauprojekte würden diesen Effekt als innerstädtische Hitzeinsel nur noch verstärken. Das Projekt Stadionneubau wurde laut dem Architekten nicht an die zwischenzeitlich eingetretene Bauwende – den Trend zum nachhaltigen Bauen – angepasst und sei »daher noch vor der Grundsteinlegung ein Relikt vergangener Zeiten«. Des Weiteren dränge sich ihm der Eindruck auf, dass für den Berliner Senat der »Artenschutz eine lästige Pflicht sei und kein Schutzziel«, das aus Überzeugung verfolgt werde.

Symbol kapitalgetriebenen Bauens

Katalin Gennburg deutete die Geschehnisse rund um das Bauprojekt als Teil einer »kapitalgetriebenen Stadtentwicklung« des Senats. Ein paar Tage ist Gennburg noch Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und Sprecherin für Stadtentwicklung. Die notwendigen Umbauten des Stadions hin zu einem inklusiven Ort rechtfertigen aus ihrer Sicht keinen Neubau. Die derzeitigen Einsparungen in Berlin träfen den Breitensport, während überdimensionierte Bauprojekte für Großveranstaltungen geplant werden. Gennburg verweist auf eine potenzielle Olympia-Bewerbung Berlins, die immer mal wieder im Raum stehe.

Kippt der Kern des Inklusionsparks?

Die Befürchtung, der Umbau zu einem Inklusionssportpark sei nur vorgeschoben, wurde vor knapp vier Wochen im Abgeordnetenhaus unterfüttert. Der dritte Bauabschnitt, der konkret den Umbau der Sportstätten innerhalb des Parks zu einem inklusiven Sportpark umfasst, könnte womöglich Einsparungen zum Opfer fallen, erklärte der Grünen-Abgeordnete André Schulze im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Insbesondere sei das »inklusive Begegnungszentrum de facto gestrichen«, obwohl es als »eines der Kernstücke« des geplanten Inklusionsparks geplant war. Der Staatssekretär für Bauen Alexander Slotty (SPD) widersprach dieser Darstellung. Der dritte Bauabschnitt, der erst 2029 in Angriff genommen werden soll, sei weiterhin wie geplant vorgesehen. Dem Senat sei der dritte Bauabschnitt genauso wichtig wie das Stadion selbst.

Steffen Zillich (Linke) bemängelte in dieser Sitzung, dass die Erdarbeiten rund um die Nistplätze der Spatzen den vom Verwaltungsgericht verhängten Baustopp konterkarieren würden. Einsparungspotenzial sieht Zillich dagegen bei der Zuschauerkapazität des Stadions. Hier könnte eine Reduzierung für eine erhebliche Kostensenkung sorgen.

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