Luftschlösser zum Abschied
AU-Chefin Nkosazana Dlamini-Zuma träumt von Reisefreiheit und Freihandel in ganz Afrika
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der 54 Mitgliedsländer der Afrikanischen Union (AU) am Montag und Dienstag zum 28. Gipfeltreffen des Staatenbundes an dessen Sitz in Addis Abeba versammeln, soll vor allem der Ausblick in eine positive Zukunft des Kontinents im Mittelpunkt stehen. Schon das Motto der Veranstaltung verheißt Hoffnung und Chancen: »Die demographische Dividende durch Investitionen in die Jugend nutzbar machen«, will die AU demzufolge.
Bereits in ihrer Rede zum Zustand Afrikas Mitte Dezember im südafrikanischen Durban hatte die scheidende Kommissionsvorsitzende Nkosazana Dlamini-Zuma dazu den Aufbau einer kontinentalen Universität und die Harmonisierung der Lehrpläne von 200 Universitäten zwischen Kairo und Kapstadt versprochen. Beim Gipfel in der äthiopischen Hauptstadt will sie daran anknüpfen. Vieles deutet aber darauf hin, dass die Prestigeprojekte der AU-Vorsitzenden vom Kampf um ihre Nachfolge in den Schatten gestellt werden.
Dlamini-Zuma wird nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren, das hat sie auf dem vergangenen Gipfel 2016 bekannt gegeben. Sie rechnet sich Chancen aus, im Dezember die Präsidentschaft des African National Congress (ANC), der Regierungspartei in ihrem Heimatland Südafrika, von ihrem Ex-Ehemann Jacob Zuma zu übernehmen. Gelänge ihr dies, würde sie 2019 ANC-Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen werden.
Um ihre Nachfolge an der AU-Spitze bewerben sich fünf Kandidaten. Für Äquatorialguineas Außenminister Agapito Mba Mokuy und seine Amtskollegin Pelonomi Venson-Moitoi aus Botswana ist es bereits der zweite Anlauf. Beide hatten - ebenso wie Ugandas frühere Vizepräsidentin Specioza Kazibwe - bereits auf dem 27. AU-Gipfel in Ruandas Hauptstadt Kigali für den AU-Vorsitz kandidiert. Da die Repräsentanten von 28 Mitgliedsländern sich seinerzeit jedoch vor dem Wahlgang zurückzogen, konnte keiner der Bewerber eine Mehrheit erringen. Kazibwe nahm ihre Kandidatur daraufhin zurück. Dass Venson-Moitoi oder Mba Mokuy nun doch noch den Kommissionsvorsitz übernehmen könnten, gilt als unwahrscheinlich.
Die meisten Analysten prognostizieren für die Wahl ein enges Rennen zwischen der Kenianerin Amina Mohammed und dem Senegalesen Abdoulaye Bathily. Dem tschadischen Außenminister Moussa Faki Mahamat werden höchstens Außenseiterchancen eingeräumt. Südafrikas Wochenzeitung »Mail & Guardian« schrieb deshalb bereits von einem »Kampf Ost- gegen Westafrika um den AU-Vorsitz«.
Cheryl Hendricks, die Leiterin der Fakultät für Politik und Internationale Beziehungen der Universität Johannesburg, sieht die Blöcke hinter den Aspiranten nicht ganz so homogen. Westafrika sei in der Kandidatenwahl gespalten, insbesondere die Regionalmacht Nigeria tendiere eher zu der Ostafrikanerin, schrieb sie am Montag in einem Gastbeitrag für das südafrikanische Analyse-Portal »Daily Maverick«. Die 56-jährige Mohammed, die derzeit als Staatssekretärin im Ministerium für internationale Angelegenheiten und Außenhandel ihres Heimatlands arbeitet, kann auf eine lange internationale Karriere zurückblicken. Die Kenianerin war im Vorstand der Internationalen Organisation für Migration und der Welthandelsorganisation und arbeitete für etliche UN-Organisationen. Vielen schien sie als ideale Kandidatin - bis vor zwei Wochen in kenianischen Medien Korruptionsvorwürfe gegen sie laut wurden.
Dem 70-jährigen Bathily, stellvertretender Sondergesandter der Vereinten Nationen für die Intervention in Mali und als UN-Sondergesandter für Zentralafrika, könnte die Schwächung der Konkurrentin so zur Wahl auf den Thron nutzen. Mit seinem Portfolio steht er zudem für einen Fokus auf die kriegerischen Konflikte auf dem Kontinent - ein Politikfeld in dem die bisherige Kommissionsvorsitzende Dlamini-Zuma nicht gerade mit Aktivismus geglänzt hat.
Konzepte für ein gemeinsames afrikanisches Vorgehen in Libyen, Südsudan, Burundi oder Mali blieb die Südafrikanerin bisher weitgehend schuldig, auch in Somalia wird die AU von westlichen Geldgebern gelenkt. Thema werden die Konflikte auf dem Gipfel sein, dass die AU handhabbare Vorschläge entwickelt, ist indes erfahrungsgemäß fraglich. Selbst die jüngsten Konflikte in Gambia und in der Demokratischen Republik Kongo wurden nicht durch ein Eingreifen der Union gelöst. In Gambia intervenierte die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS, in der DR Kongo handelten Kirchenvertreter ein Abkommen aus, mit dem die Nachfolge von Präsident Joseph Kabila auf den Weg gebracht wurde.
Dlamini-Zumas Pläne wirken vor diesem Hintergrund wie Luftschlösser. Unter der Woche unterstrich sie erneut ihre Absicht, noch in diesem Jahr eine ganz Afrika umschließende Freihandelszone zu schaffen. Zudem forderte sie Reisefreiheit auf dem gesamten Kontinent. Ohne konkrete Konzepte zur Umsetzung dürfte das die AU aber kaum weiterbringen. Wer auch immer auf Dlamini-Zuma folgt, er oder sie hat viele Baustellen.
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