Landgang
Personalie
Es gab eine Zeit in einem fernen Land, da war das Reisen zu fernen, exotischen Ländern das Privileg einiger weniger. Wer es sich leisten konnte, der bestieg z.B. ein Kreuzfahrtschiff und ließ sich den lieben langen Tag lang von Subalternen Cocktails reichen, aß sich abends durch ein Buffet mit den erlesensten Speisen und durfte, wenn er ein wenig Glück hatte, am letzten Tag der Reise neben dem Kapitän beim Dinner sitzen. Für die meisten Bürger dieses Landes blieb das aber ein Traum. Zu dieser Zeit erfand deshalb ein gewisser Wolfgang Rademann eine Fernsehserie mit dem Titel »Traumschiff«.
Heute ist eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff zwar immer noch teuer, dafür geht es an Bord dieser Schiffe zu wie auf einer Baleareninsel, die 365 Tage im Jahr vom Massentourismus heimgesucht wird; man reist nicht mehr, sondern macht schnöden Urlaub.
Das »Traumschiff« ist geblieben, aber die Bilder, die es vermittelt, wecken keine Sehnsüchte mehr, allenfalls noch ein nüchternes: hach, da sieht es ja aus wie im Freizeitpark. Und wenn dann Chefstewardess Beatrice mit bezauberndem Lächeln in die Kamera blickt, dann provoziert das beim gelegentlichen Zuschauer die Reaktion: Was, die gibt es auch noch?
Gibt es bzw., wie man in Bälde sagen muss, gab es. Heide Keller spielte gefühlte zehntausend Folgen lang diese Beatrice. Jetzt hat sie angekündigt, aus der Serie aussteigen zu wollen. Man könnte jetzt sagen, mit 75 sei ja auch langsam Zeit dafür und fragt sich, warum sich die gebürtige Dürenerin, deren Karriere hoffnungsvoll am Theater in Kleve als Julia in Shakespeares »Romeo und Julia« begann, sich das immer noch antun muss. Allerdings sollte man nicht unterschätzen, welchen immensen propagandistischen Wert Beatrice in einer Zeit hat, in der die Regierung immer wieder über ein höheres Renteneinstiegsalter nachdenken lässt und es deshalb für das vorwiegend ältere Publikum des »Traumschiff« ein Trost ist zu sehen, dass man auch mit 75 noch feste schuften kann. Warum eigentlich hat Heide Keller vom Bundespräsidenten noch kein Verdienstkreuz verliehen bekommen?
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.