Fillon strampelt im Kessel der Kalamität

Familien-Beschäftigung des konservativen Präsidentschaftskandidaten erzürnt die französischen Wähler / Juppé will »keinesfalls als Ersatzmann einspringen«

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf einer Pressekonferenz in Paris räumte François Fillon ein, er könne verstehen, dass viele Menschen in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen die Summen als unmoralisch ansehen, die für die Beschäftigung seiner Frau und Kinder gezahlt wurden. Die Medien hatten berichtet, dass die Familie so über Fillons Abgeordnetengehalt hinaus brutto eine Million Euro aus Steuermitteln kassiert hat. Fillon betont aber, dass er gegen kein Gesetz verstoßen hat, auch wenn diese parlamentarischen Praktiken aus heutiger Sicht moralisch bedenklich seien und geändert werden sollten. Zurückzahlen will er das Geld aber auf keinen Fall. Um nach Art von Donald Trump die noch zu ihm stehenden Kreise der Öffentlichkeit gegen die Medien auszuspielen, spricht Fillon von einem »Kesseltreiben«. Die dahinter stehende regierende Linke versuche so, »den einzigen Kandidaten auszuschalten, der imstande wäre, einen Machtwechsel herbeizuführen und Frankreich wieder aufzurichten«.

Dass er mehr als eine Woche lang die Vorwürfe erst abgestritten und dann ungenau oder sogar falsch beantwortet hat, erklärt Fillon damit, dass er »durch die Wucht der Kampagne destabilisiert« war und ihm so Irrtümer unterlaufen sind. Jetzt wolle er alles transparent machen und die Arbeitsverträge und Lohnzettel seiner Angehörigen auf seine Internetseite stellen. Doch damit lenkt er nur ab, denn das beweist lediglich, dass sie bezahlt wurden. Ob sie auch wirklich gearbeitet haben, dafür bleibt Fillon nach wie vor den Nachweis schuldig. Belastende Beweise, wie ein Interview-Video von 2007, wo Penelope Fillon erklärte, sie habe »nie als Assistentin meines Mannes gearbeitet«, wischt Fillon beiseite und behauptet, diese Äußerungen seien »aus dem Zusammenhang gerissen und verdreht« worden.

Gleichzeitig wollen Fillon und seine Anwälte das seit reichlich einer Woche laufende Verfahren wegen des Verdachts fiktiver Beschäftigung der von ihm als verdächtig schnell und eifrig geschmähten Finanzstaatsanwaltschaft mittels Verfahrensfragen stoppen und eine Überweisung und Neuaufnahme durch eine andere juristische Instanz erreichen. Das Ziel ist klar: Fillon will Zeit gewinnen, denn nach der Wahl zum Präsidenten würde er ab Anfang Mai Immunität genießen.

Fillon macht ganz den Eindruck eines Politikers, der auf der Flucht nach vorn ist, wenn er erklärt, dass ihn die Angriffe seiner Gegner nicht schwächen, sondern ihm »eher zusätzlichen Elan verleihen«. Er kündigte eine neue Etappe seines Wahlkampfes an. Dafür werde er mit den Parlamentsabgeordneten seiner Partei zusammenkommen. Dieses Treffen hat inzwischen stattgefunden und dort ist es hoch hergegangen, denn die Parlamentarier, die übers Wochenende in ihren Wahlkreisen waren, konnten ihm berichten, wie vernichtend die Meinung im Lande ist.

Immer mehr namhafte Parteifreunde raten Fillon daher, seine Kandidatur niederzulegen für einen anderen Anwärter. Doch Alain Juppé, der Zweitplatzierte bei der Vorwahl der Republikaner, hat schon deutlich gemacht, dass er »keinesfalls als Ersatzmann einspringen« will. Außerdem würde dafür das Geld fehlen, denn die bei der Vorwahl eingenommenen Millionen an »Aufwandsbeitrag« der Wähler sind längst in den Wahlkampf von Fillon geflossen.

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