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Richtungsstreit bei Wagenknecht-Truppe in Thüringen
Der Landesverband der Wagenknecht-Partei ist keine geschlossen-pragmatische Gruppe
Eigentlich wollte die Gründerin des BSW, Sahra Wagenknecht, genau das verhindern, was nun eingetreten ist: In der Partei gibt es zwei unterschiedliche Strömungen, die vor allem in Thüringen angesichts der Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung um Einfluss innerhalb des BSW ringen. Wie gegensätzlich diese sind, wurde auf einer Mitgliederversammlung des Thüringer Landesverbandes am Wochenende in Erfurt deutlich. In deren Ergebnis bemühen sich Bundes- und Landesspitze der Partei jetzt darum, Einigkeit zu demonstrieren und eine gemeinsame Linie in den laufenden Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD zu finden.
»Wir gehen geschlossen aus dieser Sitzung raus«, versicherte der Generalsekretär des Bundes-BSW, Christian Leye, am Samstag in Erfurt nach dem Treffen, an dem etwa 60 Parteimitglieder teilgenommen hatten. Er war zusammen mit der Thüringer Spitzenkandidatin und Landeschefin Katja Wolf vor die Presse getreten, die ihm aber den Vortritt ließ.
Leye machte denn auch klare Vorgaben: Ein Koalitionsvertrag mit CDU und SPD müsse viel stärker als bisher erkennbar die Handschrift des BSW tragen. »Und wenn der Koalitionsvertrag fertig ist, dann legen wir uns gemeinsam die Karten und werden gemeinsam entscheiden als Partei, welchen Weg es geht.« Und Wolf? Sie sieht nach den Beratungen mit den Mitgliedern »klaren Rückenwind für die Verhandlungen«. Sie nehme nun Kurs darauf, »möglichst viel in den Verhandlungen rauszuholen und dann zu schauen, wofür es reicht«.
Nach Angaben von Teilnehmern des nicht öffentlichen Treffens wurde bei den mehrstündigen Diskussionen zwar immer wieder der Wunsch nach einem gemeinsamen Vorgehen von Bundes- und Landes-BSW geäußert. Mehrfach sei Enttäuschung über das öffentliche Bild zum Ausdruck gebracht worden, das das BSW derzeit abgibt: Obwohl die ganz auf die Namensgeberin zugeschnittene Partei nach wie vor nur wenige, handverlesene Mitglieder aufnimmt, wird sie bereits von heftigen Richtungskämpfen geschüttelt.
Unmittelbar vor der Mitgliederversammlung hatte sich mit Anke Wirsing erstmals eine Thüringer Landtagsabgeordnete offen auf die Seite Wagenknechts gestellt. »Ich habe nicht mit Sahra Wagenknecht Die Linke verlassen, um nach wenigen Monaten den Gründungskonsens aufzukündigen«, schrieb sie in einem Facebook-Post vom Freitag. »Ich werde nicht gegen den Bundesvorstand agieren.«
Trotz des Wunsches nach Geschlossenheit sollen nach Angaben von Teilnehmern gegensätzliche Vorstellungen über den weiteren Weg des BSW aufeinandergeprallt sein. Auf der einen Seite steht dabei das Lager um Wagenknecht, das vor allem die »Friedens-Präambel« im Koalitionsvertrag »nachschärfen« will, auf die sich die BSW-Landesvorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz mit den Landesspitzen von CDU und SPD geeinigt hatten. Auf der anderen Seite das Lager um Wolf, das sich vor allem auf die Landespolitik konzentrieren möchte, weil Thüringen keinen Einfluss auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik habe.
Dass das BSW über die mühsam gefundenen Formulierungen der Präambel noch einmal nachverhandeln will, ist schon seit einigen Tagen klar. Der Landesvorstand hatte erklärt, er nehme die innerparteiliche Kritik daran »sehr ernst« und werde sie bei den weiteren Gesprächen berücksichtigen.
Auf Basis des Sondierungspapiers, auf das sich CDU, BSW und SPD bereits geeinigt hatten, sollten ab Montag zunächst in Arbeitsgruppen die Möglichkeiten für eine gemeinsame Regierung ausgelotet werden. In Brandenburg, wo der Landtag erst am 22. September neu gewählt wurde, wurden bereits am Montag Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und BSW aufgenommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) will sich noch vor Weihnachten wiederwählen lassen. Demgegenüber steht in Sachsen, wo wie in Thüringen bereits am 1. September gewählt worden war, noch immer nicht fest, ob und wann Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und BSW aufgenommen werden.
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