Aufbruch in die Moderne

»Von Gestern bis Heute« - eine Ausstellung zum 150-jährigen Jubiläum des Vereins Berliner Künstlerinnen

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Verein der Berliner Künstlerinnen ist der 1867 gegründete und damit älteste heute noch existierende Berufsverband bildender Künstlerinnen in Deutschland. Seit 1919, dem Jahr, in dem Frauen an Kunstakademien zugelassen wurden, hatte sich die Ausrichtung des Vereins von der Zeichen- und Malschule, deren berühmteste Lehrkraft wohl Käthe Kollwitz und deren bekannteste Studierende die junge Paula Modersohn-Becker war, zur Fortbildungsstätte orientiert. Ab 1990 wird in zweijährigem Turnus der Marianne-Werefkin-Preis an zeitgenössische Künstlerinnen vergeben, zuletzt - im Jahre 2015 - an Isa Melsheimer für ihre Raumerkundungen aus naturnahen und architektonisch modellhaften Inszenierungen.

Der Berliner Künstlerinnenverein feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Jubiläum, und das nimmt die Salongalerie »Die Möwe« zum Anlass, historische und zeitgenössische Positionen von 16 Mitgliedern, Schülerinnen und Gastausstellerinnen des Vereins zu präsentieren. Von der Salonmalerei über den Jugendstil, den Expressionismus, die Neue Sachlichkeit und sozialkritische Kunst, die Werke von verfolgten und verfemten Künstlerinnen in der Nazizeit bis in die unmittelbare Gegenwart reicht die Palette der nicht leicht zu beschaffenden Werke. Sie sind in unterschiedlichem Besitz, manches war auch oder ist noch verschollen.

»Malweiber« wurden die Künstlerinnen noch um die Jahrhundertwende von ihrer männlichen Konkurrenz verspottet, aber auch mit Bewunderung angesehen. Elisabeth von Eicken - sie gehört zur Gründergeneration der Künstlerkolonie von Ahrenshoop - hat einige Einflüsse von Sisley und Théodore Rousseau in ihrer Landschaftsmalerei verarbeitet (»Französische Landschaft«, Öl auf Pappe, um 1890), die sich auf die Phänomene des Lichts, des Schattens und der Atmosphäre konzentrieren.

Für Clara Arnheim, die später als Jüdin im Zuge des Holocaust ermordet wurde, ist die Ostseeinsel Hiddensee zum Sommerdomizil geworden. Auch Dora Koch-Stetter, die Frau des Zeichners Fritz Koch-Gotha, wirkte in Ahrenshoop und ließ sich 1944 dort ständig nieder. Käthe Kollwitz (»Bauernkrieg«, Kaltnadelradierung, 1903; »Selbstbildnis«, Lithografie, 1924), Paula Modersohn-Becker, Emy Roeder, Renée Sintenis, Margarethe Moll, Hannah Höch, aber auch Jeanne Mammen, Lotte Laserstein und Julie Wolfthorn sind die herausragenden Namen in der Kunstgeschichte.

Julie Wolfthorn, bekannt als Porträtistin und Landschaftsmalerin, wurde 1942 als Jüdin in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie 1944 starb. Lange Zeit galt ihr umfangreiches Werk als verschollen. Es wurde erst 2000 wieder entdeckt. Die suchende, bekenntnisartige Intensität ihrer Porträts macht die Malerin gleichsam zur Komplizin der Gemalten - nicht etwa, weil sie das Gesicht der Porträtierten (»Portrait«, Kohlezeichnung, o.J.) zu einer perfekten gesellschaftlichen Maske umgeformt hätte, sondern weil sie bekennt, dass sie beide unter der gleichen Neurose leiden.

Eine Wiederentdeckung ist Ursula Vehrig, die in ihrem »Stillleben mit Staffelei« (Öl auf Leinwand, 1926) Gegenstände in geometrische Figuren aufzubrechen sucht, so dass wir sie nicht immer nur von einem einzigen Gesichtspunkt aus sehen. Auf diese Weise kann Raum gemalt werden, als sei er physisch ebenso greifbar wie die Gegenstände in ihm. Und doch scheint der Raum in diesem Bild angefüllt zu sein mit menschlicher Gegenwart, obwohl sich niemand in dem Raum befindet. Es ist die Gegenwart der Künstlerin.

Jüngste Arbeiten liegen von Emerita Pansowova, Sabine Herrmann und Vera Schwelgin vor. In den Figuren von Emerita Pansowova waltet etwas Herbes, Sprödes, ein leichter Hauch von Traurigkeit und die moderne Nervosität. Das Thema des heranwachsenden jungen Menschen, des Sinnenden, des auf sich selbst Besinnenden reicht von rührender, leiser, beinahe linkischer Anmut bis zu allergrößter Formenstrenge (»Kauernde«, 1998; »Stehende«, 2008, beide Bronze). Bei Sabine Herrmann schafft die Analogie zu kosmischen Ereignissen, die ihren tachistischen Bildern eigen ist, eine tiefenräumliche Schichtung vom Hellen zum Dunklen hin (»himmel über kreuz, blau II«, 2006, Pigmente und Acrylbindemittel).

Die Analogie zum Prozess der Schöpfung, des Werdens und des Vergehens bleibt dabei durchaus offen und kann vom Betrachter völlig verschieden erlebt werden. Für Vera Schwelgin, die es immer wieder an die Ostsee zieht, symbolisiert das Meer das Leben, die Sehnsüchte und die Träume, auch den Kampf der Kreatur mit der Natur (»Die Treppe zum Meer«, Öl, Mischtechnik, 2015). Eine innere Verwandtschaft mit Paula Modersohn-Becker ist offensichtlich.

»Von Gestern bis Heute. 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen«, bis zum 22. April in der Salongalerie »Die Möwe«, Auguststraße 50b, Mitte

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