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Der Dealer und die Tochter

Im Kino: »Der Eid« von Baltasar Kormákur

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Dunkel, düster, schwach belichtet: Island gibt einen dämmrig-verschneiten Hintergrund ab für »Der Eid«, Baltasar Kormákurs neuesten Thriller. Nach ein paar Filmen in Hollywood erstmals wieder in Island drehend (wo er als Produzent und Mentor jüngerer Talente durchgängig tätig blieb), knüpft Kormákur hier an die eigenen Anfänge vor der Kamera an und spielt selbst die Hauptrolle in seinem neuen Film: Finnur, den erfolgreichen Herzchirurg mit der Problemtochter.

Problemtochter deshalb, weil Anna aus Finnurs erster, längst geschiedener Ehe stammt. Und weil ihre Mutter sich in Los Angeles selbstverwirklicht und zur Tochter, der Finnur Wohnung und Unterhalt zahlt, nur einen sehr oberflächlichen Kontakt hält. Und Problemtochter vor allem deshalb, weil Anna neuerdings einen älteren Freund hat, der mit Drogen dealt. Und weil sie außerdem gerade volljährig ist, weshalb Finnurs und der Behörden Zugriff auf ihr Privatleben ein sehr bedingter ist.

Finnur selbst wagt schon mal riskante Operationen, aber es ist ein kalkuliertes Risiko. Privat ist er ebenso ehrgeizig wie im Beruf, trainiert sich selbst im Triathlon, lebt gutbürgerlich-modern in modischem Beton mit ganz viel Holz, jüngerer zweiter Ehefrau und junger zweiter Tochter. Mit dem gelegentlichen Beugen des Gesetzes hat er keine Probleme, wie sich en passant erweist: Den knallroten Oldtimer seines eben verstorbenen Vaters - ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter, Züchter isländischer Ponys und söhneprügelnder Eigenbrötler - lässt er schon mal an der Steuer vorbei reparieren. Statt einfach mehr Geld draufzulegen, damit alles seine Ordnung hat und der befreundete Autobauer auch sein Auskommen.

Als Finnur den Dealerfreund kennenlernt und von Annas Drogentrips Wind bekommt, versucht er seiner Tochter Vernunft aufzuzwingen. Ohne Erfolg. Weil Anna wie gesagt volljährig ist, sind der Polizei die Hände gebunden - von Amts wegen einschreiten kann hier niemand. Und Annas Dealer-Freund, vom Vater mit Anzeige wegen Drogenbesitzes bedroht, kontert mit einer Gegendrohung. Finnur, um die Tochter besorgt, aber auch bei seiner Ehre gepackt, lässt sich auf den gewalttätigen Zweikampf ein. Hätte er es nur gelassen. Am Ende wird sein Ruf ruiniert sein, der Dealer-Freund tot, Tochter und Ehefrau entfremdet. Und für den Zuschauer ist der düstere Thriller mit absehbarem Ende auch kein Zuckerschlecken.

Empathie mit den Filmfiguren aufzubringen, fällt in jedem Fall schwer. Der bärtige Finnur ist ein getriebener Perfektionist und Kontrollfreak, der glaubt, sich vor dem Dealerfreund als Mann beweisen zu müssen. Anna ist unreif, bockig und ständig entweder high oder verkatert, die jüngere Tochter wenig mehr als niedlich, Finnurs zweite Frau vor allem eins: deutlich jünger als er. Und schon dadurch stets in Gefahr, zum reinen Klischee zu verkommen.

Wie schnell die Gewalt sich nicht nur von außen Bahn bricht, als Finnur (denkbar ungeschickt überall Spuren und die eigenen Fingerabdrücke hinterlassend) dafür sorgt, dass die jüngste Drogenlieferung konfisziert wird und der Dealer nun seinerseits Stress mit seinen Lieferanten bekommt, sondern auch von innen heraus, sobald der doch eigentlich über jeden Zweifel erhabene Finnur einmal Blut geleckt hat, ist denn wohl die Moral von der Geschicht‘.

Nicht sonderlich neu als filmische These ist, dass auch die soignierte Bourgeoisie zu allerlei Unmoral fähig ist, wenn man ihr Anlass dazu liefert. Der umgekehrte Ansatz, der jähe Einbruch der Barbarei in die Beton-, Glas- und Holz-Idylle eines finanziell saturierten und in geregelten Bahnen organisierten bürgerlichen Lebens, die hätte es viel mehr in sich. Sie aber wird hier der Zurschaustellung einer bodenlosen Gewaltbereitschaft hinter der zivilisierten Fassade des hoch spezialisierten Feinmechanikers am Herzen geopfert. Dass dem Ganzen auch noch ein Auszug aus dem Eid des Hippokrates vorangestellt ist, der jeden Arzt zu verantwortlichem Handeln gegenüber Leib und Leben seiner Patienten, sprich: Mitmenschen, verpflichtet, lässt in seiner höhnischen Pointiertheit zudem von Anfang an keinen Zweifel am Ausgang des Films.

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