Russischer Reformstau

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Russlands jüngste Bildungsreformen wurden auch in Deutschland verfolgt. Der langjährige Russland-Korrespondent Ulrich Heyden wirft auf sie einen kritischen Blick. In seinem Artikel »Der russischen Grundlagenforschung geht es an den Kragen« auf heise.de bewertet er sie in ihrem »Elitestreben« und »Leistungswettbewerb« als einen Anpassungsprozess an den Westen. Hierfür sprechen die »Einführung von Wettbewerbskriterien«, wie die Anzahl der (internationalen) Veröffentlichungen und das Monitoring. Oder der »Aufbau von Elite-Universitäten«, zu dem auch das Förderprogramm »5-100-2020« gehöre. Zielgruppe seien Universitäten, die bis 2020 im internationalen Ranking »unter die 100 Top-Universitäten« kommen sollen, mindestens fünf sollen es sein. Parallel werde an anderen Einrichtungen durch Schließung oder Zusammenlegung gespart. Auch die Bezahlung des wissenschaftlichen Nachwuchs richte sich zunehmend nach Leistungskriterien, nicht selten erhalten sie befristete Arbeitsverträge.

Die »Deutsche Universitätszeitung« zeigt sich dagegen in ihrem Artikel »Todeskuss mit Moratorium« auf duz.de/magazin eher ambivalent. Es gebe diejenigen, die den Umbau der Akademie der Wissenschaften als besagten »Todeskuss« bewerteten, und diejenigen, die darin eine »bittere Pille zur Heilung nach 20 Jahren Stillstand« sehen. Denn das vorherrschende »Kastensystem« und der »Geldmangel« haben einen Reformstau verursacht, an dem auch das »russische Silicon Valley« (Ukas) und die »Staatskooperation Rosnano« nichts ändern. Tatsächlich verkaufen Hochschulen ihre Studienplätze. »Etwa 4700 der 9000 Studenten der Staatlichen Fernstudium-Agraruniversität in Balaschicha bei Moskau zahlen zwischen 500 und 1200 Dollar pro Studienjahr«. Für den in Moskau lebenden Autor, Johannes Voswinkel, scheint daher »eine grundlegende Reform« »unausweichlich«.

Einen anderen Fokus hat das Magazin-Portal des Auswärtigen Amtes, deutschland.de. Hier fragt man nach der Bedeutung dieser Reform für Deutschland und sieht durch sie den Austausch der Wissenschaft intensiviert. Zum Beispiel könne die Freie Universität Berlin auf eine stärkere Zusammenarbeit mit der Moskauer Wirtschaftsuniversität Higher School of Economics (HSE) bauen, da diese als nunmehr Nationale Forschungsuniversität über ein höheres Budget verfüge. »Wir wollen mit der HSE enger im Bereich der Doktorandenausbildung zusammenarbeiten und auf Interdisziplinarität mit einem sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt setzen«, wird der Leiter des Verbindungsbüros der FU, Tobias Stüdemann, zitiert. Und auch der Leiter des Moskauer Büros der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Jörn Achterberg, kann der Reform viel abgewinnen. Da »Wettbewerb auf dem Qualitätsprinzip beruhe, werde gute Forschung belohnt«. Für ihn bildet sich mit den Elite-Unis eine »Art Champions League« heraus, die sich »bestens für internationale Kooperationen« eignen. Die Reform »steigere die russische Forschung«, was sie »attraktiv« mache. Lena Tietgen

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