AfD Sachsen fragt nach Sterilisation von Flüchtlingen

Wie die Rechtsaußen-Partei mit nichts weniger als einer kleinen Anfrage rassistische Hetze in die Welt setzt

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Sollten JournalistInnen über jede sich in Parlamentarismus ergießende hetzerische Fantasterei der AfD-Politiker berichten? In ihrer ausformulierten Medienstrategie hat die Rechtsaußen-Partei beschlossen, »ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein« und auch »vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken«. Wessen Ziel es ist, politische Diskurse ordentlich nach rechts zu verschieben, der tut natürlich gut daran, mit rechtsradikalen Forderungen zu provozieren. Wenn immer mehr von Rechtsaußen kommt, werden rechte Aussagen als gemäßigt, natürlich, normal angesehen. Voraussetzung: Die extrem rechten Forderungen werden über die Medien an die Gesamtbevölkerung verteilt, die die AfD ansonsten nicht erreichen würde.

Ein aktuelles Beispiel geistert derzeit durch die sozialen Medien. Der sächsische AfD-Abgeordnete André Wendt hat im Dresdner Landtag eine Anfrage nach »Hilfen bei Sterilisation« für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gestellt. UMA, so werden die jungen Menschen von Polizei und Politikern genannt, seit sie von Neonazis durch Bautzen gejagt wurden. In der rechtsradikalen Szene ist die Sterilisation von »Ausländern« eine gängige Forderung – glauben Neonazis doch an das Konstrukt einer weißen menschlichen »Rasse«, die vor den Genen von »Ausländern« bewahrt werden müsse. Neonazis wollen nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund Kinder bekommen. Die Sterilisation hängt somit eng mit der Nazi-Vorstellung einer »Umvolkung« durch Geflüchtete zusammen, das zuletzt die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla per Twitter in die mediale Debatte einbrachte. Die Sterilisation von Flüchtlingen forderte 2015 übrigens auch ein NPD-Politiker in Worms.

Nun ist zu vermuten, dass diese rassistisch-völkischen Diskussionen durch die Anfrage Wendts befeuert und erneut in die Öffentlichkeit getragen werden sollen. Der Politiker selbst äußerte sich jedoch nicht dazu und auch ein Begründungstext ist im Dokument nicht zu finden. »Welche konkreten Leistungen können nach §51 SGB XII den UMA gewährt werden?«, ist die trockene Frage des Abgeordneten. Der betreffende Paragraph regelt die finanzielle Unterstützung von Sterilisationen im Krankheitsfall – und die Antwort der Landesregierung ist dementsprechend einfach: Sollte eine Krankheit eine Sterilisation erforderlich machen, wird gezahlt. Wendt fragt weiter nach, in wie vielen Fällen »UMA« die Finanzierung einer Sterilisation in Anspruch genommen haben und wie viel dies den Staat gekostet habe – die Antwort: Dies fällt in den Aufgabenbereich der Landkreise und kann deshalb nicht von der Landesregierung beantwortet werden.

Unspektakulär. Nun ist dieses Frageformular in die Öffentlichkeit geraten und führt in den sozialen Medien zu viel Empörung. Zurecht, wird durch die Anfrage doch die Möglichkeit einer Sterilisierung von Geflüchteten in die Debatte gebracht – Öl ins Feuer angesichts der ohnehin schon stark von rechts beeinflussten Diskussionen um sexuelle Übergriffe von Menschen mit Migrationshintergrund auf Frauen, beziehungsweise »unsere Frauen«. Ein Personalpronomen übrigens, das übrigens selbst Martin Schulz im Zusammenhang mit Silvester in Köln nutzte, als er nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten bei Anne Will vorsprach. Ein deutliches Zeichen dafür, wie die Unterscheidung eines deutschen Vollkes (»wir« und »unsere«) und eines »anderen«, »ausländischen« Volkes (»die«), wenn auch teils im Unbewussten, bis tief in die Mitte der Gesellschaft eingdrungen ist.

Nun läuft die Debatte also erneut an und alle Begriffe sind wieder präsent: UMA, sexuelle Übergriffe, Silvester in Köln. Und ein neuer Begriff kommt dazu: »Sterilisation«. Das alles, ohne dass Wendt dazu irgendetwas gesagt hätte, ja ohne dass er diese Begriffe selbst zusammen geführt hätte. Er brauchte nur eine kleine Anfrage stellen. Den Rest erledigen die JournalistInnen und die Empörung der Emanzipierten. Hätte das verhindert werden können? Sollte einfach nicht mehr Bericht erstattet werden über die politische Arbeit der AfD in den Parlamenten – und über die ideologischen Verflechtungen von Neonazi-Diskursen mit denen der AfD? Zu solchen Fragen gelangt inzwischen auch das Vice-Magazin. Die extremen Rechten scheinen es vorerst geschafft zu haben. Sie treiben den Diskurs munter vor sich her.

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