Kein Opel-Werk ist mehr sicher

Reaktionen auf möglichen Kauf durch Peugeot Citroën

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass eine mögliche Übernahme des Autobauers Opel durch den französischen Konzern PSA Peugeot Citroën in greifbare Nähe gerückt ist, hat die landes- und kommunalpolitischen Akteure rund um die betroffenen deutschen Opel-Standorte offensichtlich kalt erwischt. Hinter den Kulissen hat die Neuigkeit nach einer ersten Schockstarre hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Die offiziellen Erklärungen sind von Hilflosigkeit geprägt. »Mit großen Fragezeichen beobachten wir die Situation um Opel«, so Patrick Burghardt (CDU), Oberbürgermeister der hessischen Stadt Rüsselsheim. »Wir haben nur vernommen, was in den Medien veröffentlicht ist. Wir werden die Situation bewerten, wenn wir mehr wissen.«

Das 1929 von General Motors (GM) übernommene Opel-Werk ist aus Rüsselsheim nicht mehr wegzudenken. Hier am Stammsitz mit seiner Europazentrale arbeiten rund 15 000 Opelaner, Fabrikarbeiter ebenso wie Fachleute im Entwicklungszentrum des Mutterkonzerns General Motors. Ob die Jobs nach einer Übernahme durch PSA noch sicher sind oder »Synergieeffekten« zum Opfer fallen könnten, weiß bisher niemand.

Opel ist der mit Abstand größte Arbeitgeber der 63 000-Einwohner-Stadt nahe Frankfurt am Main. Viele Ingenieurbüros und Zulieferer hängen von der Autoproduktion ab. Erinnerungen an die Zitterpartie der Jahre 2008 und 2009 kommen hoch, als die US-Mutter die deutsche Tochter schon einmal loswerden wollte und Opelaner trotzig Schilder mit der Parole »Yes we can - auch ohne GM« hochhielten. Letztlich blieb General Motors in der Opelstadt. Doch kommunale Gewerbesteuer entrichtet der angeschlagene Autokonzern seit rund zwei Jahrzehnten nicht mehr. Längst gehört Rüsselsheim zu den hoch verschuldeten kommunalen »Sorgenkindern«, die nicht ganz freiwillig unter dem finanziellen »Schutzschirm« der hessischen Landesregierung stehen und trotz hoher Grundsteuersätze, Schließung von Jugendtreffs und anderen Sparmaßnahmen noch kein Licht am Ende des Tunnels sehen.

100 Kilometer südwestlich von Rüsselsheim liegt das Opel-Motorenwerk im pfälzischen Kaiserslautern. Von hier liegt die Pariser PSA-Konzernzentrale nur zweieinhalb Zugstunden entfernt. Mit rund 2200 Arbeitsplätzen ist Opel größter gewerblicher Arbeitgeber in einer vom industriellen Kahlschlag gebeutelten Region. Die 100 000-Einwohner-Stadt ist finanziell angeschlagen. Er sei bereit, alles zu tun, um das Werk in Kaiserslautern dauerhaft zu sichern, versprach der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch im Deutschlandfunk und bot Maßnahmen zur Stärkung der Verkehrsin-frastruktur an.

»So schlecht ist die Infrastruktur gar nicht«, meint hingegen der örtliche Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich (LINKE). Der Metaller und Ex-Opelaner warnt vor vorauseilenden Zugeständnissen der Politik an Konzerne. Es sei ein »schlechter Stil«, dass alle Beteiligten erst über die Medien von den Übernahmeplänen erfahren hätten, kritisiert Ulrich. Diese »Art der Öffentlichkeitsarbeit« sei ein »Schlag ins Gesicht« der Beschäftigten, die seit 2013 mit einem Sanierungstarifvertrag als Gegenleistung für die Rettung der Standorte viele Opfer erbracht hätten.

Zurückhaltend gibt man sich am jüngsten deutschen Opel-Standort im thüringischen Eisenach. »Es ist viel zu früh für eine Bewertung. Sich an Spekulationen zu beteiligen, ist zum jetzigen Zeitpunkt schädlich für das weitere Verfahren«, meint Oberbürgermeisterin Katja Wolf (LINKE). »Selbstverständlich werden wir mit größter Sorgfalt darauf achten, dass der Standort Eisenach nicht geschwächt wird«, so die Rathauschefin der Wartburgstadt.

Wenig überrascht zeigt sich derweil Rainer Einenkel, der bis zur Schließung des Bochumer Opel-Werks Anfang 2015 örtlicher Betriebsratsvorsitzender und Opel-Aufsichtsratsmitglied war. »Wir haben erklärt: Nach der Schließung von Bochum ist kein Werk mehr sicher«, so Einenkel in einem Facebook-Eintrag. »Es drohen wieder Vertragsbrüche, Kündigungen und Werksschließungen.«

Einenkel, der eine Verletzung der Mitbestimmungs- und Kontrollrechte des Aufsichtsrates beklagt, kämpft seit Sommer 2013 vor dem Darmstädter Landgericht gegen das Aus für das Bochumer Werk. Für diesen Freitag hat das Gericht im Zivilverfahren Einenkel gegen die Adam Opel AG eine Entscheidung angekündigt. »Die Klage, die wir anderthalb Jahre vor der Schließung eingereicht haben, ist angesichts der jüngsten Meldungen mehr als gerechtfertigt«, so Einenkel gegenüber »nd«.

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