Merkel muss sich zur NSA-Affäre erklären
LINKE wirft der Bundeskanzlerin »Augenwischerei« bei Absage an Spionage unter befreundeten Staaten vor
Berlin. Vor der Vernehmung von Angela Merkel im NSA-Untersuchungsausschuss hat die Opposition der Bundeskanzlerin Täuschung der Öffentlichkeit in der Geheimdienst-Affäre vorgeworfen. Dabei geht es um den Ausspruch der Kanzlerin »Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht« aus dem Jahr 2013. »Das war ein Stück weit Augenwischerei«, sagte die LINKE-Obfrau in dem Bundestagsgremium, Martina Renner, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Merkels Absage an Spionage unter befreundeten Staaten war eine Reaktion auf Berichte, nach denen der US-Geheimdienst NSA auch das Handy der Kanzlerin ausgespäht hat. Später wurde bekannt, dass auch der Bundesnachrichtendienst (BND) in großem Stil Ausspähungen bei Partnerstaaten Deutschlands unternommen hat. Das Kanzleramt hat die Aufsicht über den BND. Bewusste Täuschung werfen die Abgeordneten Merkel nicht vor. Vielmehr wollen sie in ihrer mit Spannung erwarteten Befragung herausfinden, was Merkel damals gewusst hat und was sie getan hat, um solche Ausspähungen zu unterbinden, wie SPD-Obmann Christian Flisek ankündigte.
Der Grünen-Vertreter in dem Ausschuss, Konstantin von Notz, sagte, dass Ausspähen unter Freunden in Wahrheit »volle Kanne« ging. »Es ist ein Problem, wenn man damit die komplette deutsche Öffentlichkeit in die Irre geführt hat«, sagte er mit Blick auf den Ausspruch der Kanzlerin.
Merkels Aussage bildet voraussichtlich den Abschluss der Vernehmungen, nachdem der Ausschuss fast drei Jahre in weit mehr als 100 Sitzungen die Datenspionage der NSA, des BND und anderer Staaten ausgeleuchtet hat. Er wurde gegründet, nachdem der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden im Sommer 2013 die gigantischen, globalen Überwachungsaktionen des US-Geheimdiensts öffentlich gemacht hatte. Immer neue Enthüllungen in den Medien sorgten im damaligen Bundestagswahlkampf für viele Schlagzeilen. Die Bundesregierung scheiterte 2013 mit dem Bemühen, ein No-Spy-Abkommen mit den USA abzuschließen.
Renner sagte, die Merkel-Regierung habe 2013 versucht, »den sich aufbauenden öffentlichen Druck ein Stück weit zu minimieren«. In der Vernehmung wolle sie von der Kanzlerin erfahren, wie Merkel die Absage an Ausspähungen gemeint habe - als empörten Kommentar über die NSA oder als Fingerzeig an den BND. Erwartet wird, dass sich die am Vormittag beginnende Befragung Merkels über Stunden hinziehen wird.
Kritik kommt aber auch aus den Reihen der Koalition. Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, wirft der Bundesregierung eine groß angelegte Täuschaktion bei der Bewältigung der NSA-Affäre vor: »Das sogenannte No-Spy-Abkommen war eine großangelegte Täuschung der deutschen Öffentlichkeit, weil die USA nie zu einem derartigen Pakt bereit gewesen sind. Es wurde in Berlin nur so getan«, sagte er der »Passauer Neuen Presse« (Donnerstag). Merkel hielt er beim Thema Geheimdienste ein »Wegducken« vor.
Der Vorsitzende des Ausschusses, Patrick Sensburg (CDU), erwartet von Merkel, dass sie vor allem Stellung zu politischen Fragen bezieht. »Dazu gehört insbesondere ihre Aussage: Abhören unter Freunden - das geht gar nicht. Und dazu gehört das Abhören ihres Handys. Außerdem sollte die Kanzlerin deutlich machen, wie die organisatorischen und technischen Defizite beim Bundesnachrichtendienst denn beseitigt werden können«, sagte er »Berliner Zeitung« (Online-Ausgabe). Agenturen/nd
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