»Gender Studies«

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Entstanden sind »Gender Studies« in den 1970er Jahren in den USA. Anlass war die Kontroverse über Gleichheit und Frauenkultur in den »Women’s Studies«. Fortan sollte die Beziehung von biologischem und soziokulturellem Geschlecht im Zentrum stehen. Ihren Durchbruch erfuhr die Bewegung 1990 mit dem Buch »Gender Trouble« von Judith Butler, das ein Jahr später unter dem Titel »Das Unbehagen der Geschlechter« auch auf Deutsch erschien. In den 1990er Jahren erreichten die Ideen Deutschland. Der erste »Gender Studies«-Studiengang wurde im Wintersemester 1997/98 an der Humboldt Universität in Berlin eröffnet. Die Universität Wien bietet seit dem Wintersemester 2006/07 einen Master in »Gender Studies« an und die Johannes Kepler Universität Linz »verpflichtet ihre Studenten in nahezu allen Studienplänen zum Besuch von Lehrveranstaltungen zum Thema«.

Gegenstand dieser Disziplin ist die Abhängigkeit des Geschlechts von der Gemeinschaft, wobei Geschlecht in Abgrenzung zum biologischen »sex« soziokulturell verstanden wird.

Der klassische Feminismus kritisierte von Anfang an bei diesem theoretischen Ansatz das Fehlen eines handelnden Subjekts, der sozialen Frage und das »Unterschlagen der Mutterschaft«. In der Queer-Bewegung wurden Butlers Thesen jedoch »begeistert aufgenommen«, da sie die heterosexuelle Hegemonie in der »Frage nach der Sexualität und ihrer Bedeutung für die gesellschaftliche Ordnung« aufbrechen, heißt es zum Beispiel auf der Webseite der »Solidarischen Psychosozialen Hilfe Hamburg«, einer Beratungsstelle für Menschen, die durch Erwerbslosigkeit bzw. materielle Not in psychische Krisen geraten sind (spsh.de).

»Gender Studies« sind wie kaum eine andere akademische Disziplin umstritten. So ließ der Historiker Ferdinand Knauß bereits 2007 auf handelsblatt.com keine Möglichkeit aus, sie zu diskreditieren. »Gender Studies« würden nicht zwischen Politik und Wissenschaft trennen, auch bei der Frauenforschung und -förderung: werde »weder personell noch inhaltlich getrennt«. Zwar gesteht Knauß der Disziplin - ähnlich wie den Geisteswissenschaften - zu, dass eine gewisse Nähe zu ihrem Gegenstand notwendig sei, er will aber »nicht akzeptieren«, dass sich eine Disziplin etabliere, die »wissenschaftliche Objektivität und Rationalität gegen offen praktizierten Subjektivismus« tausche, um »politisch-ideologische Ziele« zu erreichen. Um seinem Anliegen, die »Gender Studies« wieder aus den Universitäten zu verbannen, Nachdruck zu verleihen, wirft er den Universitäten vor, es mangele ihnen an »Widerstand« gegen »diese Usurpation der Geisteswissenschaften«. 2008 gründete Knauß den Blog »Geschlechtsverwirrung«, den er 2011 wieder einstellte. Nicht weniger polemisch konterte 2015 die Philosophin Catherine Newmark mit der Frage, ob »wir Emanzipierten einen großen Fehler« gemacht hätten, und antwortete mit einem klaren »Nein«. - »Die Geschlechterordnung muss vielleicht nicht notwendigerweise zentral sein, aber in unseren Gesellschaften ist sie es. Und sie muss kritisiert werden, weil es neben vielen rundum mit dem Status quo Zufriedenen auch etliche Unzufriedene gibt.« (zeit.de) Lena Tietgen

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