Ohne Technik kein Fortschritt
Größer, genauer, teurer: Die Astronomie stößt mit immer besseren Beobachtungsinstrumenten in neue Dimensionen vor.
Das moderne astronomische Weltbild beruht auf jahrtausendelangen Forschungen. Dabei war es kein Zufall, dass sich unser Wissenshorizont durch die rasche Entwicklung immer leistungsstärkerer Teleskope in wachsendem Tempo erweitert hat. Ein entscheidendes Merkmal der Teleskop-Leistung ist dabei die Größe der lichtsammelnden Flächen (Linsen oder Spiegel). Damit steigt nämlich nicht nur das Auflösungsvermögen, sondern auch die raumdurchdringende Kraft, d. h. die Reichweite. Während sich Galilei im 17. Jahrhundert noch mit Linsen von wenigen Zentimetern Durchmesser begnügen musste, standen gegen Ende der Epoche der Linsenfernrohre zum Ausgang des 19. Jahrhunderts Objektive mit ca. 100 Zentimetern Durchmesser zur Verfügung.
In einem wahren Wettstreit zwischen Linse und Spiegel befeuerten sich die Hersteller gegenseitig, wobei allerdings die Spiegel zunächst aus Metall bestanden und dadurch stets rasch erblindeten. Doch schon in dieser Zeit zeigte sich der enge Zusammenhang zwischen der Größe der Teleskope und den neuen Erkenntnissen, die sich mit ihnen gewinnen ließen. Als die farbfehlerfreien (achromatischen) Linsen gerade etwa 30 Zentimeter groß waren, baute Friedrich Wilhelm Herschel in England bereits einen Spiegel mit 1,2 Metern Durchmesser und durchforschte die Welt der nebligen Objekte sowie die Struktur unseres Sternsystems. Mit einem noch größeren Spiegel von 1,8 Metern Durchmesser erkannte der Ire Lord Rosse erstmals die spiralige Struktur eines Nebels im Sternbild Jagdhunde, ohne allerdings zu wissen, dass er ein fernes Sternsystem im Okular seines Teleskops erblickte. Einen Durchbruch für die Spiegelteleskope brachte 1856 die Erfindung der Oberflächenversilberung von Glasflächen durch Carl August Steinheil und Justus von Liebig. Fortan verfügte man über ständig größere Spiegel ohne Korrosionseffekte.
Als 1919 auf dem Mount Wilson (Kalifornien) das bislang größte Spiegelteleskop mit etwa 2,5 Metern Spiegeldurchmesser in Betrieb ging, wurden sogleich bahnbrechende Entdeckungen gemeldet, die mit kleineren Teleskopen unmöglich gewesen wären. So fand Edwin Hubble die extragalaktische Natur des Andromedanebels und stieß damit in die Welt der Galaxien vor. Bald darauf wurde mit demselben Teleskop die Expansion des Weltalls gefunden, die zur »Urknall-Hypothese« führte und somit zur ersten wissenschaftlich begründeten Evolutionstheorie des Universums.
Auch in den folgenden Jahrzehnten zeigte sich, dass technologische Innovationen beim Bau von Beobachtungsinstrumenten zu durchgreifend neuen Erkenntnissen führen. Bei dem 1947 in Betrieb genommenen 5-Meter-Teleskop auf dem Mount Palomar bestand der 20 Tonnen schwere Spiegel aus sogenanntem Pyrex-Glas, das erst 1919 patentiert worden war und gegenüber Temperaturänderungen besonders unempfindlich ist. Mit diesem Teleskop, das für drei Jahrzehnte Rekordhalter unter den Reflektoren der optischen Astronomie gewesen ist, wurden ebenfalls bedeutende Entdeckungen gemacht. Eine betraf die ungemein wichtige kosmische Entfernungsskala. Sie musste nämlich nach den neuen Erkenntnissen ungefähr verdoppelt werden, was auch wichtige Konsequenzen für das »Weltalter«, d.h. die seit dem »Urknall« vergangene Zeit und alle kosmologischen Forschungen mit sich brachte.
Zwei bedeutende Innovationen führten von den gigantischen Spiegeln der klassischen Periode zu den noch viel größeren der Jetztzeit: die Einführung der aktiven und der adaptiven Optik. Wegen der immer größeren und folglich auch schwereren Spiegel werden diese möglichst dünn gebaut. Dabei verlieren sie aber an Steifigkeit. Formveränderungen beim Schwenken des Teleskops führen zu unliebsamen Abbildungsfehlern. Lagert man die Spiegel jedoch auf sogenannten Aktuatoren, können diese die Sollform des Spiegels wiederherstellen. Die erste aktive Optik kam 1989 beim New Technology Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) zum Einsatz. Die adaptive Optik geht noch einen Schritt weiter: Sie kompensiert atmosphärisch bedingte Störungen der aus dem Weltall ankommenden Lichtwellen und beseitigt gleichsam das »Funkeln« der Sterne. Dazu müssen die Störung ununterbrochen analysiert und die Messdaten per Computer zu Steuersignalen für die Verformung des Spiegels verarbeitet werden. Das geschieht bei modernen Teleskopen quasi in Echtzeit, d. h. mehr als 1000 Mal pro Sekunde. Schnelle Computer waren die Voraussetzung, um solche Konzepte erfolgreich zu verwirklichen. Dadurch sind große, erdgebundene Teleskope in der Lage, die Bildqualität eines gleich dimensionierten Teleskops im Erdorbit zu erreichen. Das Flagschiff der ESO auf diesem Gebiet ist das »Very Large Telescope« mit seinen vier Einzelteleskopen mit je 8,2 Metern Spiegeldurchmesser auf dem Cerro Paranal in Chile. Doch jedes Teleskop hat auch sein »Verfallsdatum«. Historische Studien belegen, dass die Zahl bedeutender Entdeckungen mit wachsendem Alter der Teleskope abnimmt. Dann bringt nur leistungsfähigere Technik weiteren Erkenntnisfortschritt. Deshalb sind derzeit noch größere Instrumente im Bau oder in der Planung. Doch die Finanzierung wird immer schwieriger.
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