Politik setzt sich für Erhalt des Rockhauses ein

Nach einem Eingentürmerwechsel drohen 250 Bands auf der Straße zu landen - Senat und Bezirk wollen vermitteln

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir bleiben! Rettet das Berliner Rockhaus!« Trotzig prangt die Losung über dem Eingang des schmucklosen Fünfgeschossers in der Buchberger Straße. Das Gebäude in einem Lichtenberger Gewerbegebiet, ein ehemaliges Rechenzentrum, gehörte bis vor kurzem der Post. Vor zehn Jahren hat Dirk Kümmele das Haus gemietet und Proben-, Aufnahme- sowie Unterrichträume für Bands eingerichtet.

»Ich habe an die 200 Untermieter«, sagt er dem »nd«. Mindestens 250 Bands und Solisten machen sich im Rockhaus fit für Auftritte und Tourneen, üben, geben Unterricht, spielen Alben ein, hängen auch mal gemeinsam ab. Viele Mieter teilen sich Platz und Kosten mit Kollegen. Manchmal probt auch DDR-Schlagerstar Frank Schöbel in dem Haus.

Bei Kümmele steht das Telefon nicht mehr still, seit bekannt wurde, dass dem Rockhaus das Ende droht. Vor einem Jahr hat der 50-Jährige vom neuen Eigentümer, der Scharfstein Group GmbH, die Kündigung erhalten, zwei Monate später folgte die Räumungsklage. Mitte Dezember hat das Landgericht der Kündigung stattgegeben. Der Betreiber hat Berufung beantragt, hatte er doch mit dem Vorbesitzer ein langfristiges Nutzungskonzept entwickelt. Sein Mietvertrag läuft bis 2023. 250 000 Euro habe er unter anderem in den Schallschutz investiert, sagt er.

»Zunächst sah es so aus, als sollte die Immobilie als Musikhaus verkauft werden«, so Kümmele. Scharfstein habe aber an der Frankfurter Allee ein weiteres Haus der Post erworben, wolle es abreißen und dort ein modernes Bürohaus bauen. Es gebe Gerüchte, dass nun auch alle Untermieter bis zum Jahresende aus dem Rockhaus ausziehen sollen. »Der Anwalt des Eigentümers hat mitgeteilt, dass er ›alternative Szenarien der vollständigen Räumung‹ prüft«, sagt Kümmele. Der Rockhaus-Betreiber weiß, was das für die meisten der Bands bedeutet: Dann stünden alle auf der Straße, in Berlin gibt es kaum freie Kapazitäten. Und bei keinem der Künstler sitzt das Geld wirklich locker. Kümmele ist selbst Musiker, spielt Drums in seinen Bands »Ella 19« und »Dirty Dudes«.

Stephan Zebisch steht bei der angesagten Rockband »Toxpack« an Bass und Mikrofon. Toxpack teilt sich zwei Räume für Proben, Equipment und Merchandise mit einer befreundeten Band. »Das Rockhaus ist ein kommerzielles und nicht ganz billiges Unternehmen. Für uns gilt zunächst unser Mietvertrag«, sagt der 35-Jährige, der seinen Lebensunterhalt eher im Bühnenbau und Eventservice verdient. »Aber wenn der Eigentümer alle Bands aus dem Haus klagt, wäre das eine Katastrophe für die Musiker und für die Kulturszene der Stadt insgesamt.«

Das weiß auch Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE). Er hat sich am Mittwoch mit Kümmele getroffen. »Ein Verlust des Rockhauses wäre ein großes Problem nicht nur für den Stadtbezirk, sondern für ganz Berlin«, sagt er. Viele Künstler ziehe es in die Randbezirke, doch auch dort fehle es überall an Proberäumen und Ateliers. In dieser Woche werde sich das Bezirksamt mit dem Rockhaus befassen und nach Lösungen suchen.

Grunst war schon der alternativen Rockszene in der DDR eng verbunden. Er begrüßt die Initiative von Kultursenator Klaus Lederer (LINKE), auf dessen Vermittlung vergangene Woche die städtische Musicboard Berlin als Moderatorin zwischen Rockhaus und Eigentümer gewonnen wurde. Beide Seiten sind laut Lederers Sprecher Daniel Bartsch gesprächsbereit.

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