Raser wegen Mordes verurteilt

Zwei Teilnehmern eines illegalen Straßenrennens in Berlin erwartet nun lebenslange Haft

  • Yves Bellinghausen
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut ein Jahr nach dem katastrophalen Unfall auf der Tauentziehenstraße in West-Berlin hat das Berliner Landgericht am Montag sein Urteil verkündet: Die beiden Angeklagten Hamid H. und Marvin N. erwartet eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes.

Damals hatten sich die Männer im Alter von 25 und 28 Jahren ein illegales Straßenrennen geliefert. Nachdem sie bereits mehrere rote Ampeln überfahren hatten, raste Hamid H. in der Nähe des KaDeWe in ein unbeteiligtes Auto hinein. Der 69-jährige Fahrer des Wagens kam dabei ums Leben.

Den Schuldspruch auf eine lebenslange Haftstrafe und Führerscheinentzug haben die zwei Männer regungslos hingenommen. Hamid H. blieb während der Urteilsbegründung stehen, versuchte immer wieder erfolglos mit dem Richter zu diskutieren. Auch im Publikum regte sich Unmut zu dem harten Urteil. »Das gibt es doch nicht«, rief eine Frau von der Zuschauerbank, als der Richter sein Urteil erklärte.

Tatsächlich kam vielen Beobachtern das Urteil hart vor. Es ist das erste Mal, dass Raser in Deutschland wegen Mordes verurteilt werden. »Sie sehen einen wütenden Verteidiger vor sich«, sagte der Rechtsanwalt von Hamid H. nach der Urteilsverkündung – kein Wunder, folgte das Gericht doch der Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Diese hatte erklärt, dass man den beiden Fahrern einen bedingten Tötungsvorsatz nachweisen könnte. Darüber hinaus werden sie wegen Mordes verurteilt, weil das Auto als gemeingefährliches Tatmittel verwendeten. Die beiden Männer seien sich während ihrer Raserei völlig bewusst gewesen, dass sie jemanden töten könnten. »Die zwei kannten die Gefahr. Sie nahmen also billigend in Kauf, dass jemand zu Schaden kommt«, sagte der Richter Ralph Ehestädt zur Begründung seines Urteils.

Doch auch die Persönlichkeiten und Vorgeschichten der beiden Männer im Alter von 25 und 28 Jahren flossen in die Urteilsfindung ein. Beide Männer seien von Gutachtern als narzisstisch, teils sogar als arrogant bezeichnet worden, hieß es. Der 28-jährige Hamid H. weißt darüber hinaus ein beachtliches Portfolio an Verkehrsvergehen auf. Auch an Diebstählen ist er vor der Tat schon beteiligt gewesen. An dem Abend, an dem er den tödlichen Unfall baute, war er eigentlich auf Bewährung.

Noch letzte Woche hatte die Verteidigung ein wesentlich geringeres Strafmaß gefordert. Für Hamid H., der direkt in den tödlichen Unfall verwickelt war, hatten sie auf fahrlässige Tötung plädiert. Für den nicht direkt in den Unfall verwickelten Marvin N. forderte die Verteidigung lediglich eine Strafe für Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Verteidiger argumentierten, dass beide Fahrer in einer »anderen Wirklichkeit« gelebt hätten und deshalb die Gefahr nicht richtig einschätzen konnten. Für jugendlichen Leichtsinn seien die beiden aber einfach auch zu alt, sagte Richter Ehestädt in seiner Urteilsbegründung. Der Staatsanwalt zeigte sich im Anschluss zufrieden mit dem Urteil. »Ich erhoffe mir von diesem Urteil auch eine Signalwirkung für Raser.« Die Verteidigung kündigte am Dienstag dagegen an, gegen das Urteil Revision einzulegen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt das Urteil des Berliner Landgerichts. »Seit heute ist klar, wer bei extremer Geschwindigkeitsüberschreitung über mehrere rote Ampeln rast, nimmt den Tod von Menschen billigend in Kauf und setzt sein Fahrzeug als gemeingefährlichen Gegenstand ein«, sagt der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow. Ein Raser werde dadurch zum Mörder.

Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Sebastian Schlüsselburg, begrüßt das Urteil ebenfalls. In dem Prozess habe sich allerdings auch gezeigt, dass der Gesetzgeber beim Thema Raser nachbessern muss. In einer Civey-Umfrage, die der »Tagesspiegel« in Auftrag gegeben hat, spricht sich auch die Mehrheit (62,2 Prozent) der Bundesbürger für härter Strafen gegen Raser aus. Auffällig ist dabei, dass CDU-Anhänger härteren Strafen eher zustimmen (69,6 Prozent), als Anhänger der LINKEN (55,8 Prozent).

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -