Lebensgefahr für Aktivisten
Bohol ist bekannt für seine Traumstrände, den winzigen Koboldmaki mit den riesigen, kugelrunden Augen und das »Schokoladenhügel« genannte bizarre Gebiet aus 1268 kegelförmigen Kalksteinhügeln. Mitte Februar hallten jedoch 27 Schüsse durch das Eiland im Zentrum der Inselgruppe Visaya. Ein Killer erschoss am 15. Februar in der Inselhauptstadt Tagbilaran die Anwältin für Menschenrechte und Umweltrecht, Mia Manuelita Mascarinas-Green. Die 49 Jahre alte Frau starb vor den Augen ihrer zehn Jahre alten Tochter und ihren zwei Jahre alten Zwillingen.
Laut der britischen Menschenrechtsorganisation Global Witness sind die Philippinen für Umweltaktivisten das nach Brasilien zweitgefährlichste Land der Welt. 100 Streiter für Umweltschutz wurden in den vergangenen 15 Jahren umgebracht. 2015 wurden 33 Umweltschützer durch Auftragskiller getötet. Weitere zwölf Umweltaktivisten wurden seit dem Amtsantritt von Präsident Rodrigo Duterte im Juni 2016 ermordet.
Menschenrechtsaktivisten sind überzeugt: Dutertes »Krieg gegen Drogen« und die Straflosigkeit für die Drogenkrieger, die bereits über 7500 Menschen umgebracht haben, lassen die Auftraggeber der Umweltmorde noch kühner werden. »Es ist unsere Pflicht als Philippiner, diese Kultur der Straflosigkeit zu bekämpfen« sagt Yeb Saño, Direktor von Greenpeace Southeast Asia. »Wir müssen uns gegen Ungerechtigkeit, Brutalität und Gewalt erheben, die eingesetzt wird, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die aus der Welt einen besseren Ort machen wollen«, fordert er.
Morde sind in dem pazifischen Inselstaat seit langer Zeit blutiger Alltag. Opfer sind Regierungskritiker, Umweltaktivisten, kritische Journalisten und Ureinwohner, die für ihre Landrechte kämpfen. Die Täter - Polizei, Armee, Milizen, Todesschwadronen, Privatarmeen reicher Familienclans und mächtiger Bergbau- und Plantagenunternehmen - kommen in der Regel straflos davon. Präsident Duterte geht weiter als alle seine Vorgänger. Wiederholt erklärte er öffentlich: »Menschenrechte sind mir egal.«
Die Menschenrechtsexperten der katholischen Ateneo-Universität werfen in ihrem Report für die UN-Menschenrechtskommission der philippinischen Politik und Justiz vor, weder Interesse an der Aufklärung der Morde noch an der Beendigung der außergerichtlichen Tötungen zu haben. Selbst dem Vorgänger von Duterte im Präsidentenamt, Benigno Aquino, habe der politische Wille gefehlt, die Straflosigkeit von Polizei und Streitkräften zu beenden, die dysfunktionale Justiz zu reformieren und die Weigerung des Militärs zu brechen, Rechenschaft für sein Handeln abzulegen.
Für den Mord an Mascarinas-Green soll nach Erkenntnissen der Polizei Lloyd Lancer Sylio Gonzaga seinen Kumpel Romanico Templado Benigian beauftragt haben. Hintergrund ist ein Immobilienstreit, in dem Mascarinas-Green die Gegenseite vertrat. Erst im Oktober 2016 hatte die Polizei bei einer Razzia in Häusern von Gonzaga und Benigian große Mengen Drogen und Waffen beschlagnahmt. Das Duo kam auf Kaution frei - obwohl das Gesetz das bei solchen Delikten ausschließt.
Tausende entsetzte und wütende Philippiner gaben vor Kurzem Mia Manuelita Mascarinas-Green das letzte Geleit. Sie zündeten Kerzen an, legten Blumen am Grab nieder und forderten »Gerechtigkeit für Anwältin Mia«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.