Cannabisagentur soll Anbau regeln

Ab 2019 sollen Patienten mit Marihuana »made in Germany« versorgt werden

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Der verstorbene Reggae-Künstler und Rastafari Jacob Miller besang einst das vermutlich aus Zentralasien stammende Kraut als die »Heilung der Nation«. Ganz so gesund ist Cannabis wahrscheinlich nicht, aber sein medizinischer Nutzen etwa zur Bekämpfung chronischer Schmerzen und Übelkeit sowie Appetitlosigkeit ist unbestreitbar. Diese Erkenntnis hat sich auch in der herrschenden Politik durchgesetzt, weshalb das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Freitag offiziell den Startschuss für die Gründung einer neuen Cannabisagentur gaben.

Dies ist Teil einer Gesetzesnovelle, die den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtern soll und im Januar einstimmig im Bundestag beschlossen wurde. »Schwerkranke Patientinnen und Patienten können künftig nach ärztlicher Verordnung Cannabis in Arzneimittelqualität durch die Gesetzliche Krankenversicherung erstattet bekommen«, erklärte Gesundheitsstaatssekretär Lutz Stroppe. Bisher war dies nur in Einzelfällen der Fall.

Außerdem brauchten die Patienten bisher eine Ausnahmeerlaubnis vom BfArM zum Erwerb von Cannabisblüten oder -extrakten, um sich beim Erwerb der Arznei nicht strafbar zu machen. Diese Bedingung fällt nun weg, künftig reicht ein Rezept vom Arzt, um Hanf auf Rezept in der Apotheke zu bekommen. Jedoch soll der Zugang dazu auch künftig nur Menschen offenstehen, die mit anderen verfügbaren Arzneimitteln nicht zufriedenstellend therapiert werden können.

Bei der Bundesärztekammer wird die Gesetzesänderung positiv bewertet. Es sei gut, dass die therapeutischen Möglichkeiten nun erweitert werden, erklärte deren Vorsitzender Josef Mischo. Gut sei, dass das Gesetz keine Indikationen vorgibt, wann Cannabis eingesetzt werden darf, sondern diese Entscheidung weitgehend den Ärzten überlässt.

Eine Hauptaufgabe der neuen Agentur wird die Kontrolle des Cannabisanbaus sein. Denn bisher muss das heilende Kraut aus Kanada und den Niederlanden importiert werden. Und der Bedarf ist immer größer. Wurden 2014 noch 48,5 Kilogramm nach Deutschland eingeführt, so waren es 2015 bereits 92,8 und vergangenes Jahr 170 Kilogramm. Und auch diese Menge wird vermutlich nicht ausreichen. Allein um den Bedarf der rund 1000 Patienten zu decken, die bereits nach den derzeit geltenden restriktiven Bedingungen eine Ausnahmegenehmigung haben, wäre bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von einem Gramm eigentlich 365 Kilogramm pro Jahr nötig.

Doch anbauen will der Staat das Gras nicht selber. Dies soll mittels eines Ausschreibungsverfahrens an Unternehmen delegiert werden. Wenn die Blüten geerntet sind, will die Cannabisagentur dann die Ernte in Besitz nehmen, um die Auslieferung an die Apotheken zu organisieren. Ab 2019 soll die Versorgung aus heimischen Anbau möglich sein.

Ganz so einfach wie der heimische Anbau, den manch ein Konsument oder Dealer jetzt schon im Verborgenen betreibt, wird die Kultivierung des medizinischen Cannabis vermutlich nicht sein. Es wird nur solches verwendet werden, das entsprechend den Vorgaben der »Guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen« (Good Agricultural and Collection Practice, GACP) angebaut wurde und die Vorgaben der relevanten Monografien und Leitlinien erfüllt, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit.

Doch rechnet das Ministerium anscheinend mit zu hohen Produktionskosten. »Die geplanten Preise für Cannabis von 15 bis 25 Euro pro Gramm sind viel zu teuer«, sagte der drogenpolitische Sprecher der LINKEN im Bundestag, Frank Tempel. So sind es ihm zufolge in Kanada umgerechnet nur drei bis vier Euro, die berappt werden müssen. »Dass in den Preisen die Anbaukosten enthalten sind, ist nachvollziehbar. Dass aber Patienten und Krankenkassen die Einrichtung der staatlichen Cannabisagentur über die hohen Preise mitfinanzieren, halte ich für bedenklich«, so Tempel, der hofft, dass die Cannabisagentur den Bedarf »großzügig plant«. mit Agenturen

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