Amnesty: Türkeideal soll Geflüchtete nur fernhalten
Menschenrechtsorganisation zieht nach einem Jahr Abkommen zwischen der EU und Ankara kritisch Bilanz
Brüssel. Ein Jahr nach Abschluss des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei hat AmnestyInternational scharfe Kritik geübt. Die EU sollte gemeinsam mit den griechischen Behörden Asylbewerber schnell auf das Festland bringen und sie in andere europäische Staaten umverteilen, erklärte die Organisation am Freitag in Brüssel und London. Das Abkommen, das am 18. März 2016 in Brüssel geschlossen worden war, bilde einen »beschämenden Fleck auf dem kollektiven Gewissen Europas«, erklärte John Dalhuisen, Amnesty-Direktor für Europa. Der Pakt belege, dass es der EU nicht um den Schutz von Flüchtlingen gehe, sondern darum sie fernzuhalten.
Die Menschenrechtsorganisation beklagte insbesondere die Unterbringung der Migranten auf den griechischen Inseln. »Sie sind in überbelegten, armseligen Behausungen eingesperrt«, urteilte Amnesty. Die meisten dürften die Inseln nicht verlassen. »Fünf Flüchtlinge auf Lesbos, unter ihnen ein Kind, sind umgekommen, wobei die Umstände ihres Todes stark mit dieser Lage zu tun hatten.«
Die EU und die Türkei hatten das Abkommen geschlossen, um die massenhafte Migration aus der Türkei auf die griechischen Inseln zu stoppen. Die Türkei verpflichtete sich darin, alle auf die griechischen Inseln gelangten Migranten wieder zurückzunehmen, die nicht in der EU bleiben dürfen. Eine Grundlage für die Abschiebungen sieht die EU darin, Asylanträge auch von echten Flüchtlingen als »unzulässig« einzustufen, weil diese in der Türkei als einem sicherem Drittstaat unterkommen könnten.
Auch diesen Punkt des Abkommens hinterfragte Amnesty. Es sei eine »Fiktion« zu glauben, die Türkei sei für Flüchtlinge ein sicherer Drittstaat. Griechische Gerichte hätten daher richtigerweise die Abschiebung syrischer Asylbewerber auf Basis dieses Argumentes auch blockiert. Unter Verletzung internationalen Rechts seien andere syrische Asylsuchende aber gewaltsam in die Türkei zurückgebracht worden, ohne Zugang zum griechischen Asylsystem zu haben, erklärte Amnesty. Wieder andere seien wegen der schlimmen Bedingungen auf den griechischen Inseln sozusagen freiwillig wieder in die Türkei gegangen. epd/nd
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