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Agenten? Kriminelle Glücksritter!
Denis Johnson führt in die Welt der Geheimdienste nach 9/11 und lässt uns in einen albtraumhaften Abgrund blicken
In Denis Johnsons Roman »Die lachenden Ungeheuer« geht es wie schon in »Ein gerader Rauch«, seinem großen Wurf von 2007, um die Welt der Geheimdienste. Drehte sich jenes fast 900-seitige Epos um den Vietnamkrieg, so handelt das neue Buch in Afrika, wohin Johnson als Autor für das Magazin »Esquire« in den vergangenen 25 Jahren immer wieder Recherchereisen unternommen hat. Sein fiktiver Antiheld Roland Nair, ein dänisch-amerikanischer Soldat, wird vom NATO-Geheimdienst nach Sierra Leone geschickt, um einen abtrünnigen Agenten aufzuspüren, den aus Kongo stammenden Michael Adriko, der verdeckt für die US-Special-Forces operiert. Nair und Adriko haben schon in Afghanistan und in anderen Krisenregionen gemeinsam spioniert und gekämpft.
Denis Johnson: Die lachenden Ungeheuer. A. d. Am. v. Bettina Abarbanell.
Rowohlt. 272 S., geb., 22,95 €.
In Denis Johnsons literarischem Kosmos sind die Geheimagenten keine tollen Helden, sondern unsympathische Macker. Zu Beginn des Romans geht es keineswegs um spektakuläre Abenteuer, vielmehr sind die beiden Agenten wegen der vielen Stromausfälle in der heruntergekommenen westafrikanischen Metropole Freetown ständig damit beschäftigt, funktionierende Internetanschlüsse zu finden. Der Informationsfluss ist ja das A und O in ihrem Geschäft. Wobei beide neben ihrer offiziellen Tätigkeit, die sich meist im Verfassen langweiliger Dossiers und eines nervigen Mailverkehrs mit Vorgesetzten erschöpft, kriminelle Geschäfte tätigen. Adriko versucht, einer dem Mossad nahestehenden Gruppierung angereichertes Uran zu verkaufen. Nair will einen Deal mit einem zwielichtigen Typen eingehen, der am Plan des Glasfasernetzes der US-Armee in Westafrika Interesse hat. Betrug und Verrat sind Kernkompetenzen dieser kriminellen Glücksritter. Entsprechend überschlagen sich die Ereignisse, und der zunächst sanft dahinplätschernde Roman nimmt unglaublich an Fahrt auf.
Von der einfachen Schlägerei über Mord bis hin zum Massaker wird in diesem afrikanischen Road-Movie so einiges an Brutalität und Gewalt durchexerziert. Nur wird bei Denis Johnson nichts davon verherrlicht. Seine Protagonisten geben bei ihrer Reise von Sierra Leone nach Uganda in den Kongo, wo Adriko in seinem Heimatort seine amerikanische Verlobte ehelichen will, eine ziemlich schlechte Figur ab. Ihr Agentenhandwerk beruht vor allem auf der Fähigkeit, sich als Kriminelle mit viel Dreistigkeit durchs Leben zu schlagen. In gestohlenen Autos preschen sie rücksichtslos über schlammige Landstraßen. In waghalsigen Charterflügen reisen sie quer über den Kontinent.
Je weiter sie kommen, desto entgrenzter wird die Gewalt, mit der sie konfrontiert werden und die sie selbst auch ausüben. Adrikos Heimatort in den titelgebenden Bergen namens »Die lachenden Ungeheuer« ist zu einer Todeszone geworden. Die Menschen dort sterben an dem durch Erzabbau vergifteten Wasser. Im Lauf der Reise werden Nair und Adriko überdies von einer kongolesischen Rebellentruppe verschleppt, später vom US-Militär in einem geheimen Gefangenenlager festgehalten und irgendwann wieder freigelassen.
Die Welt der Armee und Geheimdienste schildert Johnson als albtraumhaften Abgrund, als Reaktion auf den Terroranschlag vom 11. September 2001. »Seit Nine Eleven hat sich die Jagd auf Mythen und Märchen zu einem ernsthaften Geschäft entwickelt. Einer Industrie. Einer lukrativen«, so der zynische US-Offizier, der Nair in dem Gefangenenlager verhört. Am Ende ihrer Odyssee stehen die beiden gescheiterten Männer Nair und Adriko vor dem Scherbenhaufen ihrer enttäuschten Sehnsüchte.
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