Unerfüllte Erwartungen

Elmar Römpczyk stellt die baltischen Länder vor

  • Karl-Heinz Gräfe
  • Lesedauer: 2 Min.

Er war als entwicklungspolitischer Berater in den baltischen Staaten tätig. Er kennt sich in der Region aus, die über ein Jahrtausend Objekt der Begierde verschiedener Nachbarn war. Esten, Letten und Litauer haben ihre kulturellen, nationalen Traditionen und Identitäten dennoch, trotz ständigen Wechsels der Herrscher, gewahrt.

Elmar Römpczyk: Estland, Lettland, Litauen. Geschichte, Gegenwart, Identität.
J.H.W. Dietz. 216 S., br., 19,90 €.

Elmar Römpczyk berichtet über die Eroberer: Normannen (Wikinger), Dänen und den Deutschen Ritterorden. Nach der Reformation wurden die baltischen Völker Spielball der Ostseemächte Schweden, Polen, Russland und Deutschland. Der faschistische Krieg gegen die Sowjetunion hinterließ auch im Baltikum großes Leid. Nach dem Ende der Systemkonfrontation lösten sich Estland, Lettland und Litauen aus dem Schatten des russischen Bären. Sie drängten in die EU, von der sie sich jedoch mehr versprochen hatten, als sie erhielten. Die Balten mussten zur Kenntnis nehmen, dass sie auch nach einem Vierteljahrhundert nicht in den »Club der reichen Länder« aufgenommen sind. Wirtschaftlich und kulturell sind sie nach wie vor stark mit Russland verbunden, trotz großer Ressentiments. Aber nichts mehr mit dem großen, mächtigen Nachbarn zu tun haben zu wollen, ist auch keine Option und nicht im Interesse der Völker.

Römpczyk untersucht die Rolle der alt-neuen Eliten im Baltikum. Deren neoliberale und undemokratische Politik spaltete in kurzer Zeit die Gesellschaften sozial und politisch. Die neu entstandenen Parteien seien lediglich Interessenvollstrecker der Oligarchen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen (Viktor Uspachskich, Aivars Lembergs, Andris Skele, Edgar Savisar). Das prophezeite ökonomische Wachstum der sogenannten baltischen Tigerstaaten, so Römpczyk, sei trotz enormer westlicher Kapitalzuflüsse und Strukturhilfen sowie reicher Ressourcen nicht erreicht worden. Der Autor verweist auf umweltschädigendes Verhalten wie Landgrabbing und Fracking. Auch der Außenpolitik der baltischen Staaten widmet sich das Buch. Und es fehlen ebenso wenig die zahlreichen Stätten, die auf der UNESCO-Kulturerbeliste stehen.

Dem Autor ist zuzustimmen, dass ein Großteil der Probleme der Balten sich Brüssel verdanken. In den EU-Institutionen muss man begreifen, dass auch die kleinen Mitgliedstaaten ernst zu nehmen sind. Ebenso ist die Kritik Römpczyks an nationalistischen, eurokritischen Parteien mehr als berechtigt. So gut wie unerwähnt bleibt leider die Ausgrenzung der großen russischen Minderheiten in Estland und Lettland.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.