Müll trennen wird nicht einfacher
Wertstoffgesetz am Donnerstag in dritter Lesung im Bundestag
Ein kaputter Kleiderbügel gehört in den Restmüll. Sofern er nicht zusammen mit der Kleidung gekauft wurde, dann gilt der Bügel nämlich als Teil der Verpackung und darf in die Gelbe Tonne beziehungsweise den Gelben Sack. Etliche Fallstricke erschweren das ordnungsgemäße Mülltrennen, doch die Deutschen haben das Sortieren der Abfälle perfektioniert. Weiß doch jeder, dass Plastikverpackungen in der Gelben Tonne landen. Das Quietscheentchen - ebenfalls aus Plastik - gehört aber in den Restmüll. Logisch ist das nicht.
Das zu ändern ist erklärtes Ziel der großen Koalition, das 2013 sogar Eingang in den Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD fand. Vor knapp zwei Jahren legte die große Koalition einen Entwurf für ein Wertstoffgesetz vor. Danach sollten Plastik- und Metallmüll einheitlich entsorgt werden, denn über das Duale System werden - bis heute - lediglich Verpackungen gesammelt. Stoffgleiche Materialien landen nach wie vor im Restmüll und damit in der Müllverbrennung. Daraus könnten Jahr für Jahr zusätzlich 450 000 Tonnen Wertstoffe recycelt werden.
Doch komplexe Systeme lassen sich nur schwer reformieren. Die Einführung des Wertstoffgesetzes scheiterte am Veto des Bundesrats, die Länder hätten die Verantwortung fürs Sammeln gern auf die Kommunen übertragen. Die Privatwirtschaft war dagegen. Damit war das Reformwerk ein Fall für die Tonne.
Zustimmungspflichtig waren die Länder, weil die Abfallentsorgung kommunal geregelt ist. Der neue Referentenentwurf, den das Bundesumweltministerium im Sommer 2016 vorlegte, muss dagegen nicht von der Länderkammer abgenickt werden. Allerdings ist der Entwurf des Verpackungsgesetzes auch weniger umfassend. So ist die Einführung einer Wertstofftonne nun nicht länger vorgeschrieben, die Entscheidung darüber liegt bei der Kommune.
Für Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), ein Rückschritt. »In den letzten Entwürfen des Wertstoff- und des Verpackungsgesetzes wurden Umweltvorgaben ohne Not aufgeweicht und gestrichen«, sagt Roth. So soll die Mehrwegquote für Getränkeverpackungen komplett gestrichen werden. Gegenwärtig sieht die Verpackungsverordnung vor, dass der Anteil von Mehrwegflaschen auf 80 Prozent steigen soll.
Diese Vorgabe wird allenfalls beim Bier erreicht. Bei anderen Getränkesorten ist die Mehrwegquote in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Lag die Quote 2004 noch bei 66 Prozent, waren es zehn Jahre später nur noch 45 Prozent. Heute wird nur noch jede vierte verkaufte Flasche mehrfach verwendet. Weil die Quote nicht erreicht wird, will das Bundesumweltministerium sie nun abschaffen. Mehrere Umweltverbände und Politiker fordern dagegen, dass eine verbindliche und sanktionsfähige Mehrwegquote ins Gesetz aufgenommen wird. Nach dem Willen des Bundesrates soll die Mehrwegpflicht auf Getränke wie Milch, Säfte und Wein ausgeweitet werden - zum Ärger der Industrie.
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert trennen die Deutschen ihren Müll, um ihn in grüne, gelbe oder graue Tonnen, Säcke und Container zu sortieren. Ziel des Trennens ist es, die Menge der Verpackungsabfälle zu senken.
Doch auch hier kennt die Entwicklung nur eine Richtung: zum Schlechteren. Umweltschützer und Oppositionspolitiker bezweifeln, dass das Verpackungsgesetz diesen Trend umkehren wird. Das Gesetz ziele zu wenig auf die Vermeidung von Abfällen: »Die Sichtverpackung für eine SD-Karte ist ein Vielfaches größer und schwerer als das Produkt. Das muss sich ändern«, sagt etwa Ralph lenkert, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion. Eine Ressourcenverbrauchsabgabe auf alle Primärrohstoffe könne das Vermeiden von Verpackungen erleichtern. Zugleich würde das den Einsatz von Recyclingmaterial fördern.
Doch im jetzigen Entwurf, den der Bundestag am Donnerstag beschließen soll, finden sich keine Anreize für Ressourcenschutz und Abfallvermeidung, findet der Grünen-Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald. »Dieses Gesetz bringt uns keine bürgerfreundliche Wertstoffsammlung aus einer Hand«, sagt er. So bleibe das Mülltrennen kompliziert.
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