Thüringen gibt die Bahn frei für die Maut
Ministerpräsident Ramelow stimmt der Gebühr zu / Die Gegner hoffen nun auf die Nachbarländer
Die überraschende Entscheidung Thüringens, die Pkw-Maut im Bundesrat doch nicht zu verzögern, ist erst nach der Zusage für den Ausbau einer wichtigen Bahnstrecke im Osten des Freistaats gefallen. Das Förderversprechen hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (LINKE) in der Nacht unmittelbar vor der Abstimmung am Freitag gegeben, berichteten mehrere Medien. Mehrere Länder hatten versucht, in der Länderkammer eine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss zu organisieren, waren aber gescheitert.
Ramelow verteidigte seine Entscheidung im Kurznachrichtendienst Twitter: Die Anrufung des Vermittlungsausschusses (VA) von Bundestag und Bundesrat hätte nur zu Detailänderungen an der Pkw-Maut führen können, diese aber nicht völlig verhindert, argumentiert er. »Der VA ist nicht die Lösung des Problems. Der EuGH entscheidet es, dafür haben wir den Weg frei gemacht.« Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet erst, wenn gegen die Pkw-Maut geklagt wird. Kassiert werden soll die Gebühr ab 2019.
Der »Ostthüringer Zeitung« sagte Ramelow, Dobrindt habe zugesagt, dass die Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Weimar und Gößnitz zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert wird. Noch in dieser Legislaturperiode wolle Dobrindt die Voraussetzungen für einen Planungsstart durch eine Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn schaffen. Die Landesregierung hatte immer wieder beklagt, dass die Elektrifizierung dieser Trasse vom Bund in seinem Verkehrswegeplan nicht als vordringlich eingestuft worden war.
»Wir brauchen durchlaufende Fernverkehrszüge für Ostthüringen«, stellte Ramelow klar. Dafür sei die Elektrifizierung die Voraussetzung. Ähnlich argumentierte am Samstag Justizminister Dieter Lauinger (Grüne). Seine Partei habe den Ausbau seit etwa 20 Jahren gefordert. Nun sei der Stillstand in dieser Frage beendet. Allerdings lehne seine Partei die Pkw-Maut ab. »Wir tun alles, damit die Maut nicht kommt«, sagte Lauinger. Er hofft darauf, dass sie von der nächsten Bundesregierung gestoppt wird.
Die Gegner der Straßennutzungsgebühr in Deutschland hoffen nun auf Rückenwind aus dem Ausland. So setzen Grüne und LINKE im Bundestag im Kampf gegen die umstrittene Pkw-Maut auf Österreich und die Niederlande. Die Länder könnten vor dem EuGH klagen und das Lieblingsprojekt der CSU doch noch zu Fall bringen.
Sobald die von Österreich angekündigte Klage eingereicht sei, müssten alle Vorbereitungen für die Maut sofort eingestellt werden, sagte der LINKE-Verkehrsexperte Herbert Behrens der Deutschen Presseagentur. Grünenfraktionsvize Oliver Krischer ergänzte, da CDU und SPD leider nicht in der Lage seien, den »Irrsinn« zu stoppen, müssten dies nun Nachbarn in Europa tun.
Der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried hatte nach der Bundesratsentscheidung am vergangenen Freitag angekündigt, »zeitnah« rechtliche Schritte einzuleiten. »Ich halte diese Maut für diskriminierend und mit EU-Recht nicht vereinbar.« Hintergrund ist, dass die Maut zwar alle Fahrer zahlen müssen, aber die Kosten nur den deutschen Kfz-Haltern durch Steuerermäßigungen ersetzt werden. Kassiert werden soll die Maut ab 2019. Eingebracht werden könne eine Klage aber erst, wenn die EU-Kommission ihr Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland beendet habe, sagte Leichtfried. Brüssel will dies tun, wenn die Änderungen der Maut-Gesetze, die der Bundesrat passieren ließ, offiziell besiegelt sind. Die Niederlande wollen vor einer möglichen Klage eine Stellungnahme der EU-Kommission abwarten. dpa/nd
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