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Deutschland protegiert Kohleindustrie

Umweltaktivisten werfen Berlin Blockade in Brüssel vor

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Von sechs Prozent im Jahr 2000 auf mittlerweile 31,4 Prozent ist der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch hierzulande gestiegen. Das zeigt eigentlich, dass es auch nachhaltig geht. Wären da nicht die schmutzigen Braun- und Steinkohlekraftwerke, die noch immer rund 40 Prozent der CO2-Emissionen ausmachen. Diese werden, so der Vorwurf namhafter Umweltorganisationen, von der schwarz-roten Bundesregierung gegenüber der EU geschützt.

»Die Bundesregierung macht sich die Botschaften der Braunkohlelobby zu eigen, statt Umwelt und Bürger zu schützen«, sagte Viviane Raddatz vom WWF am Dienstag in Berlin. So würden über drei Jahre verhandelte Ergebnisse torpediert und europäische Prozesse zur Makulatur. Laut Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) »ein Persilschein für alte Braunkohlekraftwerke anscheinend wichtiger als die Gesundheit der Millionen EU-Bürger«.

Die Umweltschutzorganisationen befürchten nämlich, dass die sogenannte LCP-BREF-Novelle nicht zustande kommt. Mit ihr will die EU die Umweltstandards für Kraftwerksemissionen verschärfen und die Schadstoffbelastung in Europa für das nächste Jahrzehnt deutlich reduzieren. Am 28. April soll über sie abgestimmt werden. Derzeit legen die Mitgliedsstaaten intern ihre Positionen fest. Die erste Runde der Ressortabstimmung geht am Mittwoch zu Ende. Doch Deutschland, das über das Umweltministerium die Federführung in diesem Prozess hat, bremst die Brüsseler Bemühungen den Umweltschutzorganisationen zufolge aus.

Der Grund: Einige deutsche Braunkohlekraftwerke könnten die vorgesehenen neuen Stickoxidwerte nicht ohne Weiteres einhalten. In der Tat gehören Deutschlands Braunkohlemeiler zu den schlimmsten Klimasündern der EU. So stehen laut einer Auswertung neuer Emissionsstatistiken aus Brüssel durch die britische Umweltorganisation Sandberg sieben der zehn größten CO2-Emittenten Europas zwischen Rhein und Oder.

Doch sind Kohlekraftwerke nicht nur klima-, sondern auch gesundheitsschädlich, weil sie einen giftigen Mix aus Stickoxiden, Schwefeldioxid, Feinstaub und Quecksilber ausstoßen. »Mit den neuen Vorgaben zu Luftschadstoffen ließen sich europaweit pro Tag 56 Todesfälle vermeiden«, schätzt Julia Gogolewska von HEAL. Daneben würden die neuen Standards täglich 154 Millionen Euro an Gesundheitskosten einsparen, falls diese konsequent in allen Kohlekraftwerken umgesetzt würden.

Damit die Gesundheit der Menschen in der EU doch nicht dem Interesse der Kohleindustrie geopfert wird, haben die Umweltorganisationen eine Onlinepetition an Barbara Hendricks gestartet. Knapp die Hälfte der angepeilten 10 000 Unterschriften hatten sie bis Dienstagnachmittag schon eingesammelt.

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