Empörung und Wunsch nach Aufklärung

Nachdem ein jüdischer Schüler in Friedenau gemobbt wurde, sind nun empörte Reaktionen zu hören

  • Andreas Rabenstein und Christina Peters
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Fall eines 14-jährigen jüdischen Jungen, der an einer Schule im Bezirk Friedenau Opfer antisemitischer Beleidigungen und Angriffe wurde, hat für empörte Reaktionen und Forderungen nach Gegenmaßnahmen gesorgt. Unter anderem verlangte der Zentralrat der Juden Aufklärung. Die ehemalige Präsidentin des Zentralrates, Charlotte Knobloch sagte: »Das ist kein Einzelfall.«

Nun äußerte sich auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zu dem Fall: »Ich sage ganz deutlich, dass wir Diskriminierung nicht hinnehmen und jedem Einzelfall nachgehen.« Scheeres sagte weiter: »Die Schule stellt ein Spiegelbild unserer Gesellschaft dar. Viele Probleme, die es gesellschaftlich gibt, werden in die Schulen hineingetragen.« Daher erwarte der Senat von den Schulen »eine hohe Sensibilität im Umgang mit Vorfällen« und entsprechende Meldungen. Auch die Grünen äußerten sich besorgt.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte und die Schulpsychologie seien eingeschaltet worden, um die Schule zu unterstützen, sagte Scheeres. »Selbstverständlich kümmern wir uns auch um den betroffenen Schüler und seine Familie.« Die Senatorin betonte: »Für mich ist der Umgang der Schule mit den einzelnen Vorfällen entscheidend.«

Zentralratspräsident Josef Schuster hatte dem »Tagesspiegel« am Montag gesagt: »Wenn die Berichte stimmen, ist das ein erschütternder Vorgang. Hier geht es um Antisemitismus übelster Art.« Schuster forderte die Senatsschulverwaltung auf, das Verhalten der Schulleitung genau zu untersuchen und Versäumnisse klar zu benennen (das »nd« berichtete). Die Eltern des betroffenen Jungen hatten der Schulleitung vorgeworfen, zu spät auf die Angriffe durch türkisch- und arabischstämmige Schüler reagiert zu haben.

Schuster appellierte an die muslimische Gemeinschaft, »den antisemitischen Tendenzen in ihren Reihen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten«. Es könne nicht sein, »dass in einem Teil der Moscheen in Deutschland Judenfeindlichkeit und Israelfeindlichkeit aktiv Vorschub geleistet wird«.

Knobloch sagte der »Heilbronner Stimme« am Dienstag: »Das ist kein Einzelfall. Immer wieder und immer öfter werden jüdische Schüler angefeindet, ausgegrenzt oder sogar körperlich angegriffen - weil sie Juden sind.« Das Wort »Jude« sei längst wieder ein Schimpfwort auf den Schulhöfen. Sie fügte hinzu, es dürfe nicht sein, »dass jüdische Menschen sich nicht mehr trauen, ihre Religion anzugeben oder diese offen zu zeigen«.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisierte: »An dieser Art Alltagsantisemitismus darf man nicht schulterzuckend vorübergehen.« Die Politik habe beim Thema Antizionismus zulange weg- oder vorbeigeschaut.

Die Mutter des Jungen hatte der englischsprachigen Zeitung »The Jewish Chronicle« von Beleidigungen und Angriffen erzählt. Einer der anderen Schüler soll gesagt haben: »Du bist eigentlich ein cooler Typ, aber ich kann nicht mit dir befreundet sein«. Und: »Juden sind alle Mörder.« Mittlerweile hat der 14-Jährige die Gemeinschaftsschule verlassen. Die Schulleitung erstattete nach eigenen Angaben Anzeige und kündigte Konsequenzen an.

Immer wieder werden Vorfälle bekannt, bei denen Juden in Berlin antisemitisch belästigt, beleidigt und mitunter sogar angegriffen werden. Neben Rechtsextremen und Neonazis sind auch arabisch- und türkischstämmige Jugendliche und Männer die Täter.

Laut Zeitungsberichten haben an der Friedenauer Gemeinschaftsschule etwa 75 Prozent der Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch, viele kommen aus türkischen oder arabischen Familien. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.