Alternative Fakten verlieren vor Gericht

Im Kino: Der Spielfilm »Verleugnung« inszeniert den Prozess um den Holocaust-Leugner David Irving nach

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Holocaust-Leugner zerrt eine Holocaust-Forscherin vor Gericht - und weil der Gerichtsstand London ist, muss nach britischem Recht die Forscherin beweisen, dass ihre öffentliche Behauptung, der Leugner habe die Unwahrheit gesagt, auf Tatsachen beruht. Das Ganze ist für den schriftstellernden Kläger darüber hinaus ziemlich geschäftsschädigend. So geschehen vor rund zwanzig Jahren im epochemachenden Irving-Lipstadt-Prozess. Selten war Lipstadts Feldzug zur Ehrenrettung der Wahrheit gegenüber der Lüge wohl so aktuell wie heute.

Lipstadt gegen Irving, das war mehr als nur ein einzelner Prozess. Wäre er anders ausgegangen, hätte Wild-West-Rechtsfreiheit bestanden, was die belegbare Faktizität einer der zentralen menschengemachten Katastrophen des 20. Jahrhunderts angeht. Ein guter Moment also, sich wieder einmal vor Augen zu führen, dass man sich der Sogwirkung sogenannter alternativer »Fakten« auch entgegenstemmen kann. Wobei weder Holocaust-Forscherin Deborah E. Lipstadt noch Penguin Books, ihr Verlag, sich dieses legale Schlachtfeld ausgesucht hatten.

Auch wenn der Prozess nicht gänzlich unerwartet gekommen sein kann. Deborah Lipstadt ist eine kämpferische Person, gern als meinungsstarke Kommentatorin herangezogen, wo es um einen Anwurf von Antisemitismus geht - in Großbritannien jüngst wieder im Fall um einen geforderten Parteiausschluss von Ken Livingstone, dem früheren linken Bürgermeister von London, im Zusammenhang mit seiner Äußerung, Hitler sei mal Zionist gewesen, bevor er sich gegen die Aussiedlung der europäischen Juden in einen zukünftigen Staat Israel und stattdessen für ihre Ermordung entschied.

Für Lipstadt war es Ende 1996 ein Buch, das sie vor den Richter brachte. Der britische Autor und Holocaustleugner David Irving hatte sich von Lipstadts »Betrifft: Leugnen des Holocaust« diffamiert gefühlt, das ihn als prominentes Beispiel eines Holocaust-Leugners anführte. Vom Verleger verlangte er, das Buch zurückzuziehen. Als das nicht geschah, klagte er. Lipstadt gewann - aber nicht in der Weise, wie sie sich das vorgestellt hatte. Statt selbst vor Gericht gegen Irving aufzutreten, statt Überlebende in den Zeugenstand zu holen, um die Faktizität des Holocaust zu belegen, musste sie sich mit einem Platz im Zuschauerraum zufriedengeben. Wie und warum das geschah, davon handelt »Verleugnung«.

Das Drehbuch von David Hare, britischer Dramatiker und Spezialist für gepflegte Adaptionen (»The Hours«, »Der Vorleser«), beruht auf dem Buch, das Lipstadt später über ihren Prozess schrieb. Es ist deshalb immer dabei, wenn hinter den Kulissen Strategien entworfen werden, und ganz nah dran am gelebten Alltag der Gerichtssitzungen. Dass Lip᠆stadt, mit nervöser Intensität gespielt von Rachel Weisz, bei aller Bedeutung ihres Feldzugs trotzdem als eine ziemliche Nervensäge erscheint, die ihrem hochkarätigen Anwaltsteam eigentlich erst vertrauen lernt, als es den Prozess für sie bereits gewonnen hat, ist denn wohl der Qualität der Adaption und der Erinnerung an Lipstadts öffentliche Auftritte zu verdanken.

So ist also Irving, gespielt von Timothy Spall, ein überhebliches, selbstgefälliges und deshalb nicht sonderlich selbstbeherrschtes Monster. Und Lipstadt eine Zicke mit Sendungsbewusstsein. Ihre Anwälte Anthony Julius, gespielt von Andrew Scott (Anthony Julius war der Scheidungsanwalt von Prinzessin Diana, daher das signierte Foto an der Wand seiner Kanzlei) und Richard Rampton (ein gewohnt eindrucksvoller Tom Wilkinson), dazu ein Team aufstrebender Jungjuristen im Hintergrund, sind Meister der Strategie und Taktik. Und das Londoner Gerichtsgebäude, in dem der reale Prozess stattfand, gibt einen eindrucksvollen Hintergrund ab.

Dass »Verleugnung« trotz seiner inhaltlichen Bedeutung am Ende eher würdig und wohlmeinend als ein Meisterwerk wurde, liegt also wohl an der Regie. Regisseur Mick Jackson ist ein in Ehren ergrauter britischer Fernsehveteran, dessen Filmkarriere mit »Bodyguard« Anfang der Neunziger ihren Höhepunkt erreichte. Von Whitney Houston zu Deborah Lipstadt - das war vielleicht doch ein allzu großer Sprung.

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