»Haben ihn zu früh losgeschickt«

Erstes Opfer bei Weltraumflug: Vor 50 Jahren stirbt der Russe Wladimir Komarow

  • Thomas Körbel, Moskau
  • Lesedauer: 4 Min.

Seine Rückkehr von der Internationalen Raumstation ISS dürfte dem russischen Kosmonauten Andrej Borissenko im Gedächtnis bleiben. »Das war deutlich schlimmer, als sich mit einem Auto zu überschlagen«, sagt er nach der Landung. »Der Schlag war heftig, und danach hat es uns gut durchgeschüttelt.« Zusammen mit zwei Kollegen war Borissenko am 10. April dieses Jahres in einer Sojus-Kapsel von einem gut sechsmonatigen Aufenthalt im All zurückgekehrt.

Trotz des ruppigen Landemanövers in der kasachischen Steppe verlief die Rückkehr zur Erde vergleichsweise glimpflich. Die erste Landung einer bemannten Sojus-Kapsel vor genau 50 Jahren endete hingegen in einem Debakel. Der Kosmonaut Wladimir Komarow kam dabei als erster Mensch auf einem Raumflug ums Leben, weil sich der Fallschirm nicht wie geplant geöffnet hatte.

Mit rund 50 Metern pro Sekunde (180 km/h) rast Komarows Raumkapsel damals nahezu ungebremst wie ein Meteorit auf die Erde. Die Wucht des Aufpralls zerschmettert die sowjetische »Sojus 1«. Für den erfahrenen Kosmonauten Komarow wird sie zum feurigen Grab. Mit Schaufeln stochern Helfer in den verkohlten Trümmern der Kapsel, wie im Video der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos zu sehen ist.

Das Unglück vom 24. April 1967 ist ein schwerer Rückschlag für die ambitionierte sowjetische Raumfahrt. Es kommt in der Hochzeit des Wettlaufs im All mit den USA. Das kosmische Rennen zwischen Ost und West prägt in dieser Zeit den Kalten Krieg.

Die Führung in Moskau hat das Ziel ausgerufen, als erste den Mond mit einem bemannten Raumschiff zu umrunden und später dort zu landen. Unter Hochdruck entwickeln Ingenieure den neuen Raumschiff-Typ Sojus, das dritte bemannte Modell nach Wostok und Woßchod.

Nach Komarows tragischem Tod räumt der damals beteiligte Ingenieur Boris Tschertok ein: »Was Komarow passiert ist, war unser Fehler. Wir haben ihn zu früh losgeschickt. Die Sojus war noch nicht ausgereift.« Nur im Politbüro in Moskau habe das niemand wahrhaben wollen, kommentiert 2013 die Zeitung »Komsomolskaja Prawda«. Schon zu Beginn des Flugs hatte es 1967 mehrere technische Probleme gegeben. Daher hätte es mehr unbemannte Testflüge gebraucht, meint Tschertok. »Komarow haben die Konstrukteure auf dem Gewissen.«

Trotz des tragischen Jungfernflugs und eines weiteren Unfalls 1971, bei dem drei Kosmonauten umkommen, entwickelt sich die Sojus zu einer der größten Erfolgsgeschichten der sowjetischen und russischen Raumfahrt. Bis heute nutzt Russland Sojus-Raketen und -Kapseln in abgewandelter Form als »Arbeitspferd« bei der Erkundung des Alls. Soll eine Sojus-Rakete Menschen ins All bringen, wird sie mit der gleichnamigen Kapsel ausgerüstet.

Auch deutsche Raumfahrergrößen flogen mit Sojus-Raketen zu den Sternen. 1978 startete der erste deutsche Raumfahrer Sigmund Jähn vom Weltraumbahnhof Baikonur aus mit einer Sojus. Danach nutzten etwa Ulf Merbold, Thomas Reiter und zuletzt Alexander Gerst das russische »Taxi ins All«. Auch Gersts nächster Flug zur Raumstation ISS 2018 ist mit einer Sojus geplant.

Für Russland ist der Betrieb der alten Sojus ein lukratives Geschäft. Denn seit die USA 2011 ihr Shuttle-Programm eingestellt haben, müssen auch amerikanische und europäische Astronauten mit der Sojus zur ISS reisen. Einer der drei Plätze in der engen Kapsel kostet die USA 2018/2019 hin und zurück je knapp 82 Millionen US-Dollar (etwa 77 Millionen Euro).

Der Moskauer Raumfahrtexperte Igor Marinin ist überzeugt, dass die Sojus-Kapsel mit mehr als 120 erfolgreichen bemannten Flügen und lediglich zwei tödlichen Unfällen bis heute zu den zuverlässigsten Raumschiffen gehört. »Es gibt Rettungssysteme für die Besatzung in allen Flugphasen«, sagt er.

Nach dem Tod von Wladimir Komarow sei die Sojus regelmäßig verbessert worden. Den heutigen Typ Sojus-MS mit dem ersten Modell 7K-OK vom Unglücksflug 1967 zu vergleichen, sei wie ein Vergleich von modernen Autos mit Fahrzeugen von vor 100 Jahren, meint der Chefredakteur der Zeitschrift »Nowosty Kosmonawtiki«. Technisch habe sich vieles getan.

Auf absehbare Zeit dürfte Russland daher an seiner Sojus festhalten. Solange die ISS genutzt werde (bis 2024 geplant), fliege auch die Sojus, sagt Marinin. »Vielleicht auch darüber hinaus. Alles hängt von der Entwicklung der neuen Raumschiffgeneration Federazija ab.« Den ersten unbemannten Flug einer Federazija plant Roskosmos für 2021. »Früher oder später werden sie die Sojus ablösen«, schätzt Marinin. dpa/nd

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