Enttäuschung in der Rigaer Straße

Eine Veranstaltung zu den Bauprojekten im Friedrichshainer Nordkiez endet im Zwist

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Anstatt einer sachlichen Debatte gab es Beschimpfungen: Baustadtrat Florian Schmidt hatte zu einer »Informations- und Dialogveranstaltung zu den Bauprojekten in der Rigaer Straße 71-73a« am Dienstagabend in die Musikschule Friedrichshain geladen. Neben einer politischen Bewertung des Bauprojekts seinerseits wurde über den Stand der Bauvorhaben informiert. Am Ende beschimpften sich Teilnehmende untereinander. Während eine Bewohnerin versuchte darzulegen, warum Mietsteigerungen für viele schwierig seien, entgegnete ein anderer sinngemäß, steigende Mieten seien gut, dann verschwinde das »Gesocks«.

Der Stadtsoziologe Andrej Holm versucht als Moderator, die Diskussion auf Sachfragen zu lenken und problematisiert das Baurecht. Vor allem die Bewohner der Rigaer Straße sind von den vielen Neubauprojekten zwischen Proskauer Straße und Liebigstraße betroffen, erklärt der Ex-Wohnstaatssekretär Holm. So sind in der Hausnummer 22 gerade 191 Wohneinheiten durch den Neubau einer Baugruppe auf dem ehemaligen »Bambiland« entstanden. In der Rigaer Straße 71-73a will die CG Gruppe 122 Wohn- sowie Gewerbeeinheiten errichten. Direkt gegenüber sollen noch einmal 132 Wohneinheiten entstehen. Eine Bauvoranfrage gibt es für eine Baulücke nur ein Haus weiter.

Dass diese Situation, zusammen mit dem Gerangel um Hausprojekte wie die »Rigaer94«, für Unmut sorgt, ist nicht verwunderlich. Friedrichshain-Kreuzberg ist sehr dicht besiedelt. Der Friedrichshainer Nordkiez nimmt da noch eine Spitzenstellung ein: 218 Einwohner drängen sich hier pro Hektar. In Kreuzberg oder Friedrichshain-West ist die Bevölkerungsdichte nur halb so hoch.

»Wir brauchen Freiflächen und Schulen«, fordert eine Anwohnerin, »der Bezirk soll endlich mal eine ordentliche städtebauliche Planung machen«, empört sich ein anderer. Ein Ratschlag, den Schmidt sich notiert. Er erläutert aber, dass dem Bezirk bei den Bauvorhaben die Hände gebunden seien, da in dem ganzen Gebiet Bauen grundsätzlich zu genehmigen sei, wenn es sich in die vorhandene Struktur einpasst. Ein Verfahren, das Paragraf 34 des Baugesetzbuches so regele. Der Bezirk habe sich sowohl gegen das Vorhaben der CG Gruppe als auch gegen »Bambiland« ausgesprochen, der Senat habe aber letztlich beides genehmigt oder wird dies im Falle der Rigaer Straße 71-73a voraussichtlich noch diese Woche tun. Schmidt hält einen Stapel Papier in die Höhe. »Das sind die Einwendungen aus der Bürgerbeteiligung gegen das Bauvorhaben in der Rigaer Straße 71-73a«, sagt er.

Etwa 200 Personen hätten sich beteiligt und dem Projekt ein »vernichtendes Urteil« ausgestellt. Nur beim Thema Tiefgaragenparkplätze habe es unterschiedliche Meinungen gegeben. Dann legt er den Stapel auf den Tisch zurück. »Das spielt alles keine Rolle«, sagt er. Ein von der CG Gruppe beauftragtes Büro habe die Einwände schon geprüft und abgelehnt, das Bezirksamt werde dem folgen, vermutet Schmidt. Die Empörung der anwesenden Bewohner schlägt in Fassungslosigkeit um. »Das Bezirksamt versagt - seit Jahrzehnten«, ruft einer. Schmidt nickt unmerklich und sagt: »Es wurden Fehler im Bezirk gemacht und ich frage mich, warum nicht irgendeiner bei irgendeiner Baulücke mal Stopp gesagt hat.«

Stadtforscher Andrej Holm regt an, dass sich der Bezirk wenigstens für einen zeitlichen Aufschub der Genehmigungserteilung beim Senat stark machen könne. Außerdem müssen dezidierte Bebauungspläne erstellt werden, dann habe der Bezirk mehr Mitspracherechte.

Karina Kellermann von der Initiative »Nachbar_innen«, die gegen die Umstrukturierung kämpft, macht keinen Hehl daraus, dass sie enttäuscht ist. »Die Veranstaltung war ergebnislos. Die ganze Bürgerbeteiligung ist offensichtlich nur eine Farce.« Die Initiative hat reagiert und überreichte am Mittwoch der Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) einen offenen Brief mit der Forderung, Baugenehmigungsanträge abzulehnen. Dort kann man den Wunsch durchaus nachvollziehen. »Wir müssen uns aber leider ans Baugesetzbuch halten«, sagt Pressesprecherin Katrin Dietl.

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