Zermahlen in Justitias Mühlen
NRW: 30 Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie?
Der Fall erinnert an Justizopfer Gustl Mollath in Bayern. In NRW saß ein junger Mann 30 Jahre für einen Mord an einem Kind im Maßregelvollzug, den er möglicherweise gar nicht begangen hat. Der inzwischen über 50 Jahre alte Essener war 1986 für den Mord an einem sieben Jahre alten Jungen verurteilt worden. Zehn Jahre nach dem Urteil tauchte das Geständnis eines anderen Mannes auf. Aber erst jetzt kommt es zum Wiederaufnahmeverfahren.
Passiert war damals Folgendes: Das Kind war im April 1985 von einem Spielplatz entführt und in einem Waldstück erwürgt aufgefunden worden. Der damals 21-jährige Tatverdächtige, eingestuft als minderbegabt, hatte in Anhörungen die Tat zugegeben, in der Verhandlung im Jahr darauf eine Beteiligung aber bestritten. Auf Anordnung des Landgerichts Essen wurde er trotz des Widerrufs wegen eines im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Mordes in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
20 Jahre nach dem Geständnis des anderen Mannes gibt es nun endlich ein Wiederaufnahmeverfahren. Mehrere Versuche der Verteidiger des Verurteilten scheiterten bis dahin. Als das Oberlandesgericht Hamm eine erneute Prüfung des Falles anordnete, kam das inzwischen zuständige Landgericht Dortmund zu dem Schluss, dass die Geschichte neu aufgerollt werden muss. Zuvor hatten die Staatsanwaltschaft Essen und auch eine Dortmunder Kammer keine ausreichenden Gründe dafür gesehen.
Das Geständnis des zweiten Mannes von 1997 kam offenbar durch Vermittlung eines Therapeuten zustande. Der geständige Mann, der früher ebenfalls in Essen gewohnt haben soll, äußerte sich gegenüber einem Dritten und unterschrieb das Geständnis. In Befragungen am Dortmunder Gericht vor einem Jahr wollte er davon aber offenbar nichts mehr wissen. Auf ihn könnte ein eigener Prozess zukommen.
Gibt es in Dortmund - das Verfahren beginnt kommende Woche Donnerstag - keine erneute Verurteilung des inzwischen aus der Psychiatrie entlassenen und über 50 Jahre alten Mannes, könnte in Essen der andere Verdächtige angeklagt werden. »Das ist aber noch offen«, sagte Staatsanwältin Birgit Jürgens.
Der Essener Fall weist Ähnlichkeiten mit dem Fall Mollath auf. Im Jahr 2002 hatte Mollaths Ehefrau den Nürnberger wegen Körperverletzung angezeigt. Mollath hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. In zwei Verfahren attestierten ihm Gutachter eine psychische Störung. 2006 wurde er zwar wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, jedoch in die Psychiatrie eingewiesen. Wegen neuer Erkenntnisse wurde sein Fall wieder aufgerollt: Im August 2014 sprach das nun zuständige Landgericht Regensburg Mollath frei. dpa/nd
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