Obamacare noch nicht sicher tot
Trumps Frohlocken nach dem Votum im Repräsentantenhaus könnte sich als verfrüht erweisen
Die Abgeordneten der ersten US-Parlamentskammer stimmten am Donnerstag (Ortszeit) mit 217 zu 213 Stimmen für die Rücknahme der als Obamacare bekannten Reform. Präsident Donald Trump sagte im Rosengarten des Weißen Hauses, Obamacare sei »im Prinzip tot«, aber im Senat ist die Mehrheit nicht sicher.
Seit Jahren laufen die Republikaner gegen Obamacare Sturm, Trump versprach im Wahlkampf, Obamacare abzuschaffen. Sie sind gegen eine staatlich angeordnete Krankenversicherungspflicht und gegen Milliarden-Subventionen in das Versicherungssystem.
Allerdings gibt es unter den Republikanern dennoch widerstreitende Meinungen über die künftige Gestaltung der Krankenversicherung. »Das vorliegende Gesetz ist unzureichend«, sagte der republikanische Senator Dean Heller. »Wir brauchen Versicherungen, die Menschen mit Vorerkrankungen schützen.« Der Republikaner Lamar Alexander, der im Senat den Gesundheitsausschuss leitet, kündigte an, dass das Gesetz überarbeitet werden müsse. Dabei werde der Senat sich »Zeit lassen, um es richtig hinzukriegen«.
»Wir werden das durch den Senat kriegen«, sagte Trump. »Ich bin sehr zuversichtlich.« Gegen die Abschaffung von Obamacare stimmten sämtliche Abgeordnete der Demokratischen Partei und rund 20 republikanische Parlamentarier.
Im März war ein erster Gesetzentwurf für eine Gesundheitsreform gescheitert. Viele Republikaner lehnten das Nachfolgemodell für Obamacare ab, sodass die Vorlage kurz vor der geplanten Abstimmung zurückgezogen werden musste.
»Dieses Gesetz liefert, was wir dem amerikanischen Volk versprochen haben«, sagte der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Paul Ryan. »Viele von uns haben sieben Jahre darauf gewartet, diese Stimme abzugeben.« Das »gescheiterte Experiment« Obamacare müsse beendet werden.
Nach dem Votum applaudierten die Republikaner, demokratische Abgeordnete machten ihrem Unmut durch laute Rufe Luft.
Die Demokraten argumentieren, dass durch Obamacare 20 Millionen zuvor unversicherte US-Bürger eine Gesundheitsversicherung erhalten haben. Das Gesundheitssystem habe Tausende Menschenleben gerettet, weil es Versicherungen gemäß Obamacare nicht länger erlaubt war, Versicherte mit Vorerkrankungen abzulehnen.
Die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, prophezeite den Republikanern wegen der Abschaffung von Obamacare Niederlagen bei künftigen Wahlen. Mit diesem Gesetz hätten sich die Republikaner von einer gemäßigten zu einer »radikalen« Partei verändert, fügte Pelosi hinzu.
Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die Trump bei der Wahl im November unterlag, bezeichnete das Votum im Repräsentantenhaus als ein »schändliches Versagen«. Sie rief die Demokraten auf, den Beschluss »im Namen von Millionen Familien zu bekämpfen«.
Der US-Medizinerverband AMA hatte vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus gewarnt, Millionen von Amerikanern drohten mit dem Gesetz ihre Versicherung zu verlieren. Die Parteiführung der Republikaner zog aber skeptische Abgeordnete mit der Zusage auf ihre Seite, in den kommenden fünf Jahren acht Milliarden Dollar zusätzlich bereitzustellen, um die Versicherungskosten für Menschen mit Vorerkrankungen abzudecken. AFP
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.