Resistenzen aus der Pharmafabrik?

Wissenschaftler sind uneins, ob indische Hersteller für Gesundheitsgefahren verantwortlich sind

Deutsche Medien haben Vorwürfe gegen indische Pharmafirmen aufgegriffen, durch mangelnde Abwasserreinigung mit zur Entstehung multiresistenter Bakterien beizutragen. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) verwies am Donnerstag auf Gewässerproben im Großraum Hyderabad vom November 2016, bei denen in der Nähe von Medikamentenfabriken eine im Vergleich zu deutschen Grenzwerten teils hundert- oder sogar tausendfach höhere Konzentration von Resten von Antibiotika und auch von Pilzbekämpfungsmitteln festgestellt wurde.

Der NDR machte jetzt Werbung für eine Dokumentation, die am kommenden Montag in der ARD ausgestrahlt wird. Die Ergebnisse der Untersuchungen, an denen auch Wissenschaftler des Universitätsklinikums Leipzig beteiligt waren, sind schon länger bekannt. Demnach waren alle an 28 verschiedenen Stellen im Großraum Hyderabad vorgenommenen Proben »mit antimikrobiellen Substanzen kontaminiert«. Unterschiedliche Antibiotika seien in hoher Konzentration festgestellt worden. Arne Rodloff, Mikrobiologe am Uniklinikum Leipzig, erklärte, dass Bakterien in Gewässern in kurzer Zeit Abwehrmechanismen gegen Antibiotika entwickelten.

Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete vor einigen Monaten zwölf Bakterienfamilien, die gleich gegen mehrere Antibiotika resistent sind, für die »größte Bedrohung der menschlichen Gesundheit«. Die UNO fördert deshalb die Entwicklung neuer Antibiotika. Das Thema soll auch Mitte Mai beim G20-Gesundheitsministertreffen in Berlin zur Sprache kommen.

Resistenzen entstehen durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin, oder wenn sie in die Umwelt gelangen. Weltweit sollen zuletzt 700 000 Menschen pro Jahr an multiresistenten Keimen gestorben sein, darunter fast 60 000 Neugeborene allein in Indien.

Hyderabad in Zentralindien gilt als eines der Zentren der Pharmaindustrie auf dem Subkontinent. Hier werden in zahlreichen Fabriken auch preisgünstige Antibiotika für den globalen Massenmarkt hergestellt. Wegen der ex-trem niedrigen Kosten werden die Wirkstoffe mittlerweile vor allem in Indien und China hergestellt.

In Indien wittert man hinter den seit Langem erhobenen Anschuldigungen eine Verschwörung der ausländischen Konkurrenz. Eine Studie der Universität Hyderabad im Auftrag des Pharmaindustrieverbands kam kürzlich zu anderen Ergebnissen: Es gebe »keinen klaren Beweis« dafür, dass die Pharmacluster in und um Hyderabad Bakterien mit speziellen Antibiotika anreicherten, erklärte der Mikrobiologe Siddavattam Dayananda. In 50 Kilometer Entfernung wurden teils höhere Konzentrationen multi-resistenter Bakterien gefunden als in Nähe der Pharmafabriken.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.