Granatenmäßig!
Noch ein paar Tage Training, dann beginnt die 600 Kilometer lange Durchquerung Grönlands von West nach Ost
Robby ist endlich auf Grönland gelandet – das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Es hat ihn erwischt. Seit einigen Tagen quält ihn ein böser Husten, und die Nase läuft schneller, als er. Sicher, das ist unangenehm, doch geht vorbei. Als er gestern auf seiner Facebookseite eine kurze Bemerkung dazu postete, sorgte das für ein verbales Feuerwerk von guten Ratschlägen. »Wenn ich alles ausprobieren würde, was mir meine Fans an Hausmittelchen verordnet haben, käme ich die nächsten Tage wahrscheinlich zu nichts anderem mehr«, erzählte er gestern trotz Erkältung hörbar gut gelaunt am Telefon. Er wolle sich aber noch am Freitag im nächstgelegenen Supermarkt Ingwer kaufen.
So groß wird die Auswahl an Supermärkten in Kangerlussuaq, eine 500-Seelen-Gemeinde in Westgrönland ja nicht sein. »Hier ist alles überschaubar«, sagte er. Entstanden ist der Ort als ein US-amerikanischer Armeestützpunkt, der vom 7. Oktober 1941 bis zum 27. April 1951 genutzt wurde. Von hier aus flogen unter anderem die sogenannten Rosinenbomber, die während der Blockade die Menschen in Westberlin mit Gütern aller Art versorgten. Bis heute erinnert so manches an die Zeit als Armeestützpunkt, auch Robby machte ganz schnell Bekanntschaft mit den Hinterlassenschaften. »Überall liegen Granaten rum«, erzählt er, »die haben die Zünder entfernt, der Rest blieb einfach liegen.« Er machte deshalb am Freitag aus der Not eine Krafttrainingseinheit und räumte gemeinsam mit seinen beiden Guides Sebastian und Bard, mit denen er gemeinsam Grönland durchqueren wird, ein wenig vor ihrem Quartier auf.
Die nächsten Tage stehen ganz in Vorbereitung des Aufbruchs. Gestern, so erzählt Robby, hätten die beiden erst einmal seine Ausrüstung gecheckt. »Die nehmen alles in die Hand, nichts entgeht ihnen. Mir fehlen zum Beispiel noch ein paar Wollsocken. Auch deshalb muss ich noch mal in den Supermarkt. Es ist der letzte auf den nächsten 500 Kilometern. Die Jungs gucken aber nicht nur, dass alles da ist, sondern checken auch, ob ich Überflüssiges dabei habe, denn jedes Kilo Gewicht macht die Expedition schwieriger. Schließlich wird das kein Spaziergang. Wir müssen über Gletscherfelder, klettern und Spalten überschreiten. Aber ich freu mich wie irre und kann es kaum noch erwarten, dass es endlich los geht«, plaudert er lustig drauflos.
Vorher aber steht noch so einiges an. Zum Beispiel ein Test unter möglichst realistischen Bedingungen, welcher seiner drei Rucksäcke der Richtige ist. Vollgepackt darf er nicht drücken oder einschneiden, soll möglichst wie eine zweite Haut sitzen. Am Samstag wird der Pulka, also der Schlitten, den Robby durchs Eis ziehen wird, gepackt. Der muss nicht nur alles fassen, was für die West-Ost-Durchquerung Grönlands gebraucht wird, sondern auch so gepackt sein, dass er möglichst gleichmäßig belastet ist und sich somit ziehen lässt wie »auf Schienen«. Er ist gewissermaßen das Zuhause auf Kufen, transportiert Essen, das Schlafzelt, Kocher, Klamotten und was sonst noch so alles überlebenswichtig ist. Ja, und dann gibt es vor dem Start neben täglichen Trainingsläufen Sonntag und Montag noch ein Spezialtraining im Kitesegeln. Denn wenn der Wind günstig steht, werden diese Segel später helfen, schneller vorranzukommen, wenn man so will, mit dem Wind zu fliegen. Doch das will erst mal gelernt sein. Während Robby schon gelernt hat, mit Steigeisen zu klettern, ist das Kitesegeln noch Neuland für ihn.
Am kommenden Dienstag (9.5.) gegen Mittag, wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, soll es endlich losgehen. Dreieinhalb Wochen werden die Drei dann vor allem Schnee und Eis sehen, ab und an führt ihr Weg sie an Relikten des Kalten Krieges vorbei, denn die USA hatten hier bis Ende der 80er Jahre mehrere Funkstationen. Heute erzählen nur noch ein paar verlassene Stützpunkte von dieser Zeit.
Der Weg führt Robby, Sebastian und Bard von Kagerlussuaq immer Richtung Osten, insgesamt rund 550 Kilometer, bis sie in Isertoq auf die nächste bewohnte Siedlung treffen. Etwa 90 Menschen leben hier. Noch einmal 100 Kilometer weiter liegt das Ziel ihrer Reise – Tessilaq, mit 2000 ständigen Einwohnern der größte Ort in Ostgrönland. Wenn alles gut geht werden dsie dort am 6. oder 7. Juni eintreffen.
Jetzt aber Robby: Schick erst einmal Deine Erkältung in die Wüste und schau, dass Du auch genug warme Socken im Gepäck hast. Die Nächte sollen kalt werden!
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!