Küstenkoalition geht baden
Die SPD unter Noch-Ministerpräsident Torsten Albig ist der große Wahlverlierer in Schleswig-Holstein
Der große Wahlverlierer in Schleswig-Holstein trägt den Namen Torsten Albig (SPD). Die CDU hat den Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen eine krachende Niederlage beschert. Demnach bahnt sich in Kiel den Hochrechnungen zufolge ein Regierungswechsel an.
Für die nächsten Wochen stehen nun komplizierte Koalitionsgespräche bevor, weil mehrere Regierungskonstellationen möglich sind. Die SPD hält dabei aber eigentlich gar keine Trümpfe mehr in der Hand. Alles deutet auf einen neuen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) hin.
»Anpacken statt rumschnacken«, der Wahlkampfspruch der Christdemokraten hat am Wahlsonntag mehr verfangen als das SPD-Motto »Mehr Gerechtigkeit für alle«. Die CDU-Aufholjagd in den Werten der Meinungsumfragen der vergangenen Wochen war also kein Fake-Trend. Laut Spitzenkandidat Günther haben die Kernthemen Bildung und Infrastruktur gegriffen. Er sieht für sich nun den Wählerauftrag, ein Regierungsbündnis zu schmieden. Als Wahlverlierer würde es der SPD nicht zustehen, Verhandlungen mit Grünen und FDP zu führen. Vor kurzem noch ein Nobody, ist der 43-jährige Günther nun als Stratege gefragt.
Einzige verbleibende Chance für den bisherigen Ministerpräsidenten Albig wäre eine Ampel-Koalition mit FDP und Grünen, doch dafür müssten deren Gespräche für eine Regierungsbildung mit der CDU zuvor scheitern. Bereits unmittelbar nach der 18-Uhr-Prognose begannen die Diskussionen, welche Ursachen der SPD-Pleite zugrunde liegen. Über Konsequenzen wollte beim Wahlverlierer SPD noch niemand reden, zu erwarten sind sie.
SPD-Landeschef Ralf Stegner beeilte sich in seinem Statement, das miserable Ergebnis nicht der Bundes-SPD anzulasten. Seine Stellvertreterin Serpil Midyatli sagte, die Wahlkampfthemen hätten gestimmt. In der Schlussfolgerung bleibt damit Kritik am Ministerpräsidenten. Der 53-jährige Albig gab Beobachtern zufolge ein zu introvertiertes bis arrogantes Bild ab. Kopfschütteln erregte in den eigenen Reihen, aber auch beim grünen Regierungspartner beispielsweise ein Interview mit dem Magazin »Die Bunte«, bei dem Albig über seine gescheiterte Ehe und seinen Anteil daran berichtete. Am Wahlabend musste sich Stegner aber auch die Frage gefallen lassen, ob man sich zu lange zu sicher gefühlt und die CDU mit ihrem Kandidaten unterschätzt habe. Für den seit über 20 Jahren in Kiel als FDP-Fraktionschef wirkenden Wolfgang Kubicki stand kurz nach 18 Uhr fest: »Der Ministerpräsident Albig ist Geschichte!«
Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist als bisheriger Regierungspartner ein weiterer Wahlverlierer. Er konnte nicht wie vor fünf Jahren seine Klientel mobilisieren, als zuvor die CDU/FDP-Regierung den Schulen der dänischen Minderheit Fördermittel gekürzt hatte. Ruth Kastner als grüne Landeschefin führte bereits an, dass es zwischen FDP und ihrer Partei etwa bei der Einwanderungspolitik Berührungspunkte gebe.
Mit Wermutstropfen wird in Kiel registriert, dass die AfD nun einem weiteren Landtag angehören wird. Wegen massiver Proteste feierte die Partei 50 Kilometer von Kiel entfernt in einem Gasthof unter Polizeischutz.
Die LINKE profitierte hingegen nicht von der gestiegenen Wahlbeteiligung. Die beiden Landessprecher Gösta Beutin und Marianne Kolter räumten ein, sich ein besseres Ergebnis erhofft zu haben. »Aber wir haben das Tief der letzten Landtagswahl deutlich hinter uns gelassen.«
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