CDU denkt über Wiedereinführung der Wehrpflicht nach
Sensburg: Maßnahme könnte rechte Umtriebe in der Truppe eindämmen / Merkel erteilt Vorhaben eine Absage / Über 2500 Verdachtsfälle in sechs Jahren
Berlin. Angesichts rechtsradikaler Umtriebe in der Bundeswehr schlägt der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht vor. Die Aussetzung der Wehrpflicht vor knapp sechs Jahren habe bewirkt, dass die Bundeswehr keinen Querschnitt der Gesellschaft mehr abbilden könne, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Dabei wäre der Bürger in Uniform ein verlässliches Frühwarnsystem zur Erkennung von Extremismus von links und rechts.« Das Aufleben der Wehrpflicht sei daher nicht nur aus Sicherheitsaspekten notwendig. »Unsere Zivilbevölkerung ist auch das Immunsystem gegen Demokratiefeindlichkeit.«
Sensburg ist aktiver Reserveoffizier im Rang eines Oberstleutnants und schlägt in regelmäßigen Abständen vor, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Sie war zum 1. Juli 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden, weil die Bundesregierung keine sicherheitspolitische und militärische Begründung mehr dafür sah. Der Pflichtdienst ist aber weiterhin im Grundgesetz verankert und kann mit einem einfachen Gesetz wiedereingeführt werden.
Die Statistik gibt Sensburg allerdings nicht recht. Der Militärische Abschirmdienst registrierte seit dem Ende der Wehrpflicht 2514 rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der Bundeswehr. Das berichtet die in Düsseldorf erscheinende »Rheinische Post« (Donnerstagausgabe) unter Berufung auf Sicherheitskreise. Dabei zeige sich eine deutlich abnehmende Tendenz von 585 Fällen im Jahr 2010 auf 227 im vergangenen Jahr. Im laufenden Jahr seien bislang 104 hinzugekommen. Zumeist erhärte sich der Verdacht jedoch nur in einem bis 7,2 Prozent der Fälle.
Unterdessen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Wiedereinführung der Wehrpflicht abgelehnt. »Wir haben jetzt eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, und in der Kontinuität dieser Entscheidung sollten wir jetzt auch die notwendigen Reformen vornehmen, die die Bundesverteidigungsministerin gestern vorgeschlagen hat«, erklärte Merkel. Die von Ministerin Ursula von der Leyen angekündigten Reformen »halte ich jetzt für die richtigen«, betonte die Kanzlerin.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte als Reaktion auf die Affäre um Terrorverdacht in der Bundeswehr umfassende Reformen in den Streitkräften in Aussicht gestellt. Sie kündigte zudem eine Überprüfung der Wehrdisziplinarordnung an sowie ein neues Programm »Innere Führung heute«.
Hintergrund ist der Fall eines mutmaßlich rechtsextremen Oberleutnants, der unter Terrorverdacht steht. Der 28-jährige Franco A. hatte sich als falscher Flüchtling registrieren lassen und nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zusammen mit Kameraden einen Anschlag geplant.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte, von der Leyen trage die volle Verantwortung für die Rechtsextremismus-Affäre. Es sei ein handfester Skandal, dass sich »braune Terror-Nester« ohne Wissen der Verantwortlichen und des Militärischen Abschirmdienstes bilden konnten, sagte sie der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Es sei erbärmlich, jetzt Unwissenheit vorzugaukeln. Immerhin werde das Verteidigungsressort seit zwölf Jahren von CDU und CSU geführt.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), hält das Vertrauen der Truppe in die Verteidigungsministerin für »angekratzt«. Die Ministerin müsse dieses jetzt wiederherstellen, sagte er dem »Mannheimer Morgen« (Donnerstag). Florian Kling, Sprecher des Verbands kritischer Soldaten, sieht die Ursache der Probleme bei von der Leyen selbst. »In der Truppe wagt es niemand, diese konkret anzugehen. Aus Angst, von der Verteidigungsministerin geschasst zu werden.« Agenturen/nd
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