- Kultur
- Bedingungsloses Grundeinkommen
Richtig falsch verstanden
Netzwoche
Ein beliebtes Stilmittel in den sozialen Netzwerken ist die sogenannte Zitat-Kachel. Das Prinzip: Man postet ein Bild oder ein Motiv zusammen mit einem kurzen Text. Dieser sollte nicht länger als ein oder zwei Sätze sein und eine klare Aussage beinhalten. Der Vorteil der »Zitat-Kacheln« liegt auf der Hand: Man erzeugt Aufmerksamkeit und bewirkt eine schnelle Verbreitung der Botschaft im Internet.
Der »Deutschlandfunk« (DLF) bestückt wie viele andere Medien in seinem Facebook-Auftritt die Hinweise auf seine Sendungen mit solchen Motiven. Am Dienstag zeigte der Radiosender ein Bild der Arbeitsministerin Andrea Nahles zusammen mit dem Satz »Das bedingungslose Grundeinkommen führt dazu, dass niemand mehr schlecht oder niedrig bezahlte Arbeit machen möchte.« Die SPD-Politikerin soll diesen Satz bei einem Vortrag auf dem Medienkongress re:publica in Berlin gesagt und damit begründet haben, warum sie gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist.
Der Konjunktiv ist in diesem Fall angebracht, denn Nahles hat, wie Stefan Niggemeier in seinem Blog uebermedien.de ausführt, diesen Satz zum einen so nicht gesagt und zum anderen anders gemeint. Wörtlich sagte Nahles: »Das Grundeinkommen führt dazu, dass keiner mehr schlecht oder niedrig entlohnte Arbeit macht. Leute, wenn das stimmen würde, dann käme ich ins Schwanken.« Sie bezog sich damit auf ein Argument der Befürworter des Grundeinkommens, wonach nach dessen Einführung niemand mehr gezwungen sei für wenig Geld zu arbeiten und die Unternehmen daher mit höheren Löhnen um Arbeitskräfte werben würden. Zugegeben, Nahles hat sich ungelenk ausgedrückt, aber auch beim DLF hat man mittlerweile den Fehler korrigiert, nachdem man von verschiedener Seite auf den Fauxpas hingewiesen wurde.
Positiv an dem Vorgang ist, dass die Schwarmintelligenz des Netzes hier gute Arbeit geleistet hat. Man muss sich als Facebook-Nutzer auch nicht dafür schämen, wenn man auf den Ursprungs-Post des DLF mit wütenden Kommentaren gegen Nahles und die SPD reagiert hat. Doch in der Debatte im Netz offenbarte sich auch der Autoritäts- und Glaubwürdigkeitsverlust der politischen Klasse, hier der der SPD. Auf uebermedien.de kommentiert ein Leser den Beitrag von Stefan Niggemeier mit der Bemerkung, das Nahles-Zitat habe »auch deshalb keinen irritiert, weil es wie eine natürliche Fortsetzung ihrer bisherigen Äußerung zu diesem Thema erschien«, und ein anderer ergänzt, Stefan Niggemeiner übersehe in seiner Nahles-Verteidigung, »dass viele, die ihr ›irreführendes‹ Zitat kritisieren, Frau Nahles nicht für glaubwürdig halten, ihr selbst in positiv konnotierter Auslegung das nicht abnehmen. Das ›falsch‹ verstandene Zitat steht in der Perspektive genau für die Politik, die Nahles & Ministerium in den Augen ihrer Kritiker(innen) praktizieren. Nahles mag dann wohl ›richtig falsch‹ verstanden worden sein.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.