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Erich Kuttner

Kalenderblatt

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Erster Weltkrieg, Millionen verletzte und tote Soldaten, politisches Chaos. An finanzielle Ansprüche der Invaliden dachte kaum jemand. Doch der 29-jährige Erich Kuttner, schwer verletzt 1916 in der Schlacht bei Verdun und wochenlang ans Lazarettbett gefesselt, machte sich Gedanken über das »Danach«. Um dem Schicksal als kriegsversehrter Almosenempfänger zu entgehen, mobilisierte er Mitpatienten und begründete 1917 den Bund der Kriegsbeschädigten mit, aus dem nach einigen Umbenennungen 1999 der Sozialverband Deutschland (SoVD) hervorging. 1919 hatten sich bereits eine halbe Million Kriegsinvaliden dem Verband angeschlossen und kämpften trotz des Missfallens der Militärführung für ihre finanziellen Rechte.

Kuttner, geboren am 27. Mai 1887 in Berlin-Schöneberg, reichte dieser Kampf aber nicht aus. Der studierte Jurist, Journalist und überzeugte Sozialdemokrat - wegen seiner Parteimitgliedschaft musste er das Referendariat beenden - wollte nach dem Krieg mithelfen, ein demokratisches Deutschland aufzubauen. Als Redakteur der SPD-Zeitung »Vorwärts« verfasste er politische Beiträge, schrieb für die Tageszeitung »Die Glocke« und war Chefredakteur des Satireblattes »Lachen Links«, das bis 1927 vom Dietz-Verlag herausgegeben wurde.

Kuttner galt anfangs als Vertreter des rechten SPD-Flügels, als Anhänger der Regierung von Friedrich Ebert half er etwa mit, den sogenannten »Spartakus-aufstand« 1919 niederzuschlagen. Von 1921 bis 1933 saß er im preußischen Landtag, seine Kollegen schätzten ihn als eloquenten Redner. Den Nationalsozialisten jedoch war er ein Dorn im Auge: Nach der Auflösung des Landtages ging Kuttner in den Widerstand und musste am 2. Mai 1933 in die Niederlande flüchten, wo er sein Leben als Journalist wieder aufnahm. Seine politische Haltung radikalisierte sich, er trat der SPD-internen Oppositionsgruppe Revolutionäre Sozialisten Deutschlands bei. Während dieser Zeit plädierte Kuttner auch für eine Zusammenarbeit mit der KPD.

Als Reporter berichtete er über den Spanischen Bürgerkrieg, wurde 1937 verwundet und ging zurück in die Niederlande. Nach dem deutschen Angriff auf das Land im Jahr 1940 war sein Widerstandsgeist jedoch erschöpft, er versuchte, sich umzubringen. Im Untergrund leben wollte Kuttner nicht, so fand ihn die Gestapo am 10. April 1942 in seiner Wohnung und brachte ihn ins Konzentrationslager Mauthausen, wo er am 6. Oktober vor 75 Jahren ermordet wurde.

Erich Kuttner steht aber nicht nur für den Widerstand gegen das Naziregime, sondern auch für die Idee, einen Verband für die Wahrnehmung sozialer Rechte zu gründen. Der SoVD ist längst nicht mehr der einzige Sozialverband Deutschlands, auch die Zielgruppen haben sich in den vergangenen 100 Jahren verändert. Doch soziale Sicherheit und Gerechtigkeit - beides Herzensanliegen Kuttners - sind die ideellen Grundlagen geblieben.

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