Sozialdemokraten lecken ihre Wunden im Westen

Die SPD an Rhein und Ruhr muss sich völlig neu finden

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montagabend traf sich der Landesvorstand der SPD Nordrhein-Westfalen in der Düsseldorfer Landeszentrale. Hannelore Kraft, die am Sonntag von allen Parteiämtern zurückgetreten war, nahm nur für wenige Minuten an der Sitzung teil und fuhr dann in ihre Heimatstadt Mülheim. Bei dem Treffen der SPD Spitze ist ein dreiseitiges Papier mit dem Titel »Schonungslose Analyse - klare Haltung« entstanden. In einem »geordneten Prozess«, der die ganze Partei einbeziehen soll, wollen die Sozialdemokraten die Ursachen für ihre Wahlniederlage finden. In dem Papier werden allerdings schon erste Punkte angeschnitten.

Man habe »insbesondere im Ruhrgebiet« Wählerstimmen in einem »dramatischen« Ausmaß verloren. Es sei nicht gelungen, Arbeitnehmer zu mobilisieren und die eigenen Positionen zu vermitteln. Der SPD sei es nicht gelungen, ein »stimmiges Gesamtbild der Partei auf allen Ebenen« zu präsentieren. Auch habe man versäumt, die Bundespolitik und Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Wahlkampf einzubeziehen. Das habe sich nun im Nachgang als Fehler herausgestellt.

Aber die SPD belässt es nicht nur bei der Fehleranalyse. Es wird auch ein Ausblick auf die Bundestagswahl gegeben und dazu aufgerufen, alles Nötige dafür zu tun, um Martin Schulz zum Bundeskanzler zu machen. Auch scheinen sich die Sozialdemokraten auf eine Linie gegenüber der CDU festgelegt zu haben. Die SPD betont ihren sozialen Charakter und dass sie gegen Rassismus und Rechtsextremismus eintrete. Einen ähnlichen Vorstoß hatte Noch-Justizminister Thomas Kutschaty schon am Sonntagabend gewagt. Er nannte CDU und AfD in einem Atemzug und warf den beiden Parteien vor, eine »Kampagne der Angst« geführt zu haben. CDU-Mitglieder bezeichneten Kutschaty als »schäbig« und »unanständig«. Er gilt in der SPD als einer der möglichen Nachfolger von Hannelore Kraft. In Essen hat er zwar Verluste eingefahren, sein Direktmandat aber noch immer mit einer stabilen Mehrheit geholt. Als Justizminister hatte er zwar einige Probleme aber keine großen Skandale. Ein anderer Nachfolgekandidat ist Marc Herter, der bisher parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion war. Sowohl Kutschaty als auch Herter würden mit einem Alter von 49 und 43 Jahren einen Generationswechsel in der SPD-Fraktion einläuten. Bisher wurde die Fraktion vom 70-jährigen Norbert Römer geführt. Der gilt allerdings als enger Vertrauter von Hannelore Kraft und wird deswegen keine Chance haben, den Neuanfang mitzugestalten.

Bei der konstituierenden Sitzung der neuen SPD-Fraktion am Dienstagmorgen war noch vieles unklar. Eine neue Führung für die Fraktion wurde nicht gewählt. Ralf Jäger, der noch als Innenminister amtiert und der für CDU und FDP im Wahlkampf die meisten Angriffspunkte lieferte, wollte sich nicht zu seiner Zukunft oder zum Wahlausgang äußern. Auch Kraft wollte keine Fragen beantworten. Sie wird aber als einfache Abgeordnete auch in Zukunft der sozialdemokratischen Fraktion angehören.

Bei den Sozialdemokraten ist also noch viel unklar. In einer Frage haben sie sich aber deutlich positioniert. Für eine Große Koalition mit der CDU stehen sie nicht zur Verfügung. Armin Laschet habe eine Mehrheit mit seinem Wunschpartner der FDP und solle diese nutzen, hieß es.

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