SPD will wenigstens einmal mitregieren
Nach drei Landtagswahlen fällt die Bilanz der Sozialdemokraten mager aus: Juniorpartnerin im Saarland
Heiko Maas, vor fünf Jahren Architekt der Saar-Groko auf SPD-Seite, schaffte es diesmal nicht zum »entscheidenden« Landeparteitag. Der Abendflieger von Berlin nach Saarbrücken fiel am Montag mal wieder aus. So blieb der Bundesjustizminister und SPD-Landeschef gleich in der Hauptstadt. Seine Anwesenheit war denn auch gar nicht nötig. Die rund 300 Delegierten votierten mit nur fünf Nein-Stimmen und einer Enthaltung für die neue Koalitionsvereinbarung mit der CDU.
Zuvor hatten sowohl SPD-Verhandlungsführerin Anke Rehlinger, als auch alle anderen Redner für ein »Ja« zu dem Papier geworben. Die dem linken SPD-Flügel zugerechnete Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz merkte etwa an, eine Zustimmung falle wohl allen nicht leicht: »Aber ich denke, man kann das guten Gewissens tun.«
Die Stimmung unter den Sozialdemokraten in der Neunkircher Gebläsehalle war eher nüchtern verhalten. Waren die Sozialdemokraten, die mit einem Bündnis mit der Linkspartei geliebäugelt hatten, bei der Landtagswahl am 26. März doch mit 29,6 Prozent nur als Zweite durchs Ziel gegangen.
Beim Parteitag der CDU - dem mit 40,7 Prozent haushohen Wahlgewinner - hatte drei Tage zuvor am gleichen Ort eher Partystimmung geherrscht. Landeschefin und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, auch AKK abgekürzt, bekam 100 Prozent Zustimmung zu dem neuen Koalitionsvertrag.
Den unterzeichneten AKK und Rehlinger am Dienstag - nicht einmal acht Wochen nach der Wahl - vor laufenden Kameras. Die CDU-Frau betonte nochmals, mit dem Wahlverlierer sei »hart, aber fair verhandelt« worden. Auch Rehlinger nannte den Kompromiss eine »gute Richtschnur für die kommenden fünf Jahre«.
Beide Seite betonen, die Fortsetzung ihrer Vernunftsehe sei klarer Wählerwillen und zum Wohlergehen des finanzschwachen kleinsten deutschen Flächenlandes. Das 150-seitige Vertragswerk - mehr als doppelt so lang wie das von vor fünf Jahren - trägt den Untertitel: »Für die Zukunft unseres Landes«.
Auf dem CDU-Parteitag konnte man den Eindruck gewinnen, das Papier trage vor allem eine schwarze Handschrift, bei dem Parteitag der SPD wurde das Rote an ihm hervorgehoben. Auf jeden Fall ist es ein Kompromiss. So gelang es den Sozialdemokraten, den im Wahlkampf versprochenen Einstieg in die Kita-Freiheit reinzuschreiben. Die von der CDU abgelehnte SPD-Forderung nach einer schrittweisen Rückkehr zum Abitur nach neun statt acht Jahren am Gymnasium wurde indes in eine Kommission vertagt.
»Die schwersten Geburten bringen oft die schwersten Kinder hervor«. Mit diesem Vergleich hatte AKK ihre erstmaligen Wahl im Herbst 2011 zur Ministerpräsidentin kommentiert, die zur Zitterpartie wurde. Damals hatte sie im ersten Wahlgang nicht genug Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und Grünen bekommen. Die Jamaika-Koalition hatte sie denn auch ein paar Monate später platzen lassen und zusammen mit Maas die erste Saar-Groko geschmiedet.
Den Geburtsvergleich muss AKK an diesem Mittwoch sicher nicht noch einmal bemühen. Die Wahl gilt diesmal als reine Formsache. Die 41 Stimmen von CDU und SPD im 51 Sitze kleinen Landtag in Saarbrücken dürften ihr sicher sein. Anschließend sollen die Minister vereidigt werden. Dabei müssen sich die Wähler auch nicht an neue Gesichter gewöhnen. Die Christdemokraten Klaus Bouillon, Stephan Toscani und Monika Bachmann bleiben Innen-, Finanz- und Sozialminister, die Sozialdemokraten Anke Rehlinger, Ulrich Commerçon und Reinhold Joost Chefs des Wirtschafts-, Bildungs- bzw. Umweltministeriums.
Kleinere Veränderungen gibt es bei den Zuständigkeiten und bei den Staatssekretären. So darf sich der tatendurstige Innenminister Bouillon jetzt zentral um den Hochbau kümmern. Und das nur mit einem Staatssekretär besetzte Justizministerium geht von der SPD zur CDU.
Diesen Posten übernimmt CDU-Generalsekretär Roland Theis, der immer mal wieder als Kandidat für die Nachfolge von AKK in ferner Zukunft gehandelt worden ist. Theis, der auch einen französischen Pass hat, wird im Toscani-Ministerium zudem Staatssekretär für Europa sowie Europabeauftragter der Landesregierung.
Nach Einsetzung an diesem Mittwoch will die neue/alte Regierung umgehend weiter »die Ärmel hochkrempeln«. Eine Verschnaufpause könnten sich die Koalitionäre nicht gönnen, so Kramp-Karrenbauer. Bereits bis Mitte Juni steht die erste große Haushaltsklausur für das finanztechnisch äußerst schwierige Jahr 2018 an. In jenem und im folgenden Jahr muss das Saarland nach der Schuldenbremse noch mal kräftig sparen.
Erst ab 2020 soll es etwas besser werden und ein »Jahrzehnt der Investitionen« anbrechen. Nach der künftigen Struktur der Bund-Länder-Finanzbeziehungen soll das Saarland dann pro Jahr 229 Millionen Euro mehr bekommen als jetzt.
Aber auch das ist angesichts des Investitionsstaus in allen Bereichen nicht üppig. Jetzt wollen die Koalitionäre eine Prioritäten-Liste dafür aufstellen. Schwerpunkte sollen Investitionen in die Zukunft und zur Sanierung der maroden Landstraßen sowie in Bildung und Hochschule sein.
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