Bulgariens Vizeminister schockiert mit Hitlergruß
Rechtsextremisten verhelfen der Regierung zu einem Fehlstart
Ein gelungener Amtsantritt sieht anders aus. Gerade einmal zwei Tage war Bulgariens stellvertretender Regionalminister Pawel Tenew im Amt. Da reichte der von den nationalistischen Vereinten Patrioten (VP) gestellte Würdenträger in dieser Woche bereits seinen Rücktritt ein. Die Spannungen, die um seine Person »geschaffen« worden seien, würden der Arbeit der Regierung schaden, begründete der früh gescheiterte Amtsträger seinen Abtritt.
Doch tatsächlich verschuldete sein fataler Selbstdarstellungsdrang den Karriereknick: Ein fast zehn Jahre altes Foto auf seinem Facebookprofil zeigte, wie Tenew in einem Pariser Wachsfigurenkabinett per Hitlergruß vor den Figuren von Wehrmachtssoldaten salutierte.
Derartige Späße bei Betriebsausflügen seien »menschlich«, zeigt Bulgariens Dauerpremier Bojko Borissow für seinen früh gestrauchelten Ex-Kabinettskollegen zwar Verständnis. Doch obwohl er dessen durch eigene Dummheit verursachtes Ende seiner Regierungskarriere als »bedauerlich« bezeichnet, hält der bullige Ex-Leibwächter den Fall für abgeschlossen: »Ich habe das Rücktrittsgesuch unterzeichnet. Für mich ist der Fall erledigt.«
Doch es ist nicht nur der angebliche Heil-Hitler-Witz von Tenew, sondern auch die Reaktionen seiner Schutzherren, die Kritiker in ihrer Skepsis gegenüber der ersten Regierungsteilnahme der Nationalisten bestärken. In seinem Bemühen, den Fehltritt von Tenew herunterzuspielen, wartete der VP-Mitbegründer und stellvertretende Premier Waleri Simeonow gegenüber der Zeitung »Sega« gar mit einem verblüffenden Bekenntnis einstiger Jugendsünden auf. Als er mit einer Studentengruppe in den 70er Jahren das KZ Buchenwald besuchte, habe er sich auch »manchen Scherz« erlaubt: »Wer weiß, was wir dort alles für Spaßfotos machten.«
Seine gegenüber der regierungskritischen Zeitung gemachten Aussagen ließ der Eigentümer des nationalistischen Fernsehsenders SKAT hernach wieder flugs dementieren. Er sei kein Antisemit, versichert der ans Regierungsruder gerutschte Nationalist, der in Parlamentsreden Roma schon mal als »grausame Affen« bezeichnet oder Roma-Frauen den »Instinkt von Straßenhuren« bescheinigt hatte.
Doch ob der rechtsextreme Vizepremier die auf ihrer Darstellung des Gesprächs beharrende Zeitung nun wegen vermeintlicher Verleumdung verklagt oder nicht: Über den eigenwilligen Humor der nationalistischen Scherzbolde auf der Regierungsbank zeigt sich nicht nur die Opposition entsetzt. Sie sei »schockiert«, bekennt die jüdische Publizistin Emi Baruh: »Das ist, was man erhält, wenn man Nationalisten an die Regierung lässt.«
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