Rosneft internationalisiert sich
Der russische Ölriese baut sein Deutschland-Geschäft aus und lebt gut mit den westlichen Sanktionen
Wer in Berlin sein Auto volltankt oder von hier mit dem Flugzeug verreist, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Produkte eines Unternehmens an Bord, dessen Name ihm dabei verborgen bleibt: Rosneft. Der russische Ölkonzern hält gut die Hälfte der Anteile an der Erdölraffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt, welche auch die Hauptstadt versorgt. Und das verarbeitete Öl kommt über die ebenso berühmte wie sanierungsbedürftige Pipeline »Druschba« (Freundschaft) aus Westsibirien, wo Rosneft zu den Hauptförderern gehört.
Der Konzern hat gerade sein Deutschlandgeschäft umstrukturiert. Hielt man bisher über ein Joint Venture mit BP nur indirekte Beteiligungen an PCK sowie an weiteren Raffinerien im oberbayerischen Vohburg und in Karlsruhe, führt man diese rückwirkend zum 1. Januar nun in Eigenregie in der neu gegründeten Tochter Rosneft Deutschland GmbH. Sie ist mit gut zwölf Prozent Markanteil hierzulande die Nummer drei und dem deutschen Mineralöllobbyverband MWV beigetreten. Rosneft eröffnete vergangene Woche im Palais Behrens in bester Lage in Berlin-Mitte eine Deutschland-Repräsentanz, zu deren Eröffnung Konzernchef Igor Setschin aus Moskau angereist war. Er kündigte vor Journalisten Investitionen in die Modernisierung der deutschen Anlagen im Umfang von bis zu 600 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren an. Den Einstieg ins hiesige Tankstellengeschäft durch eine Teilübernahme des Netzes von Total bezeichnete Se- tschin als »Option«.
Der Ausbau des Deutschland-Geschäftes ist Teil einer breit angelegten Internationalisierungsstrategie. Rosneft ist in 24 Ländern dick im Geschäft mit der Erforschung und Förderung von Öl, darunter in Venezuela, Brasilien, Vietnam, Kanada, Irak und Mosambik. In China und Indien ist man an Raffinerien beteiligt. Und man liefert riesige Mengen: 31 Millionen Barrel (à 159 Liter) gingen 2016 allein nach China, Tendenz steigend. »Das soll keine Besorgnis hervorrufen«, sagte Setschin in Berlin, nach Europa sei die doppelte Menge gegangen. Allein Deutschland erhielt von Rosneft 23 Millionen Barrel, was fast einem Viertel aller deutschen Ölimporte entsprach.
Sorgen, dass die Exporte nach Europa wegen der langfristig angelegten »Energiebrücke nach Asien« knapp werden könnten, versucht man mit Verweis auf riesige Ölvorräte in eigenem Besitz zu zerstreuen. Mit den bereits erkundeten Vorräten könnte man 22 Jahre lang die Förderung in jetziger Menge aufrecht erhalten. Nach eigenen Angaben verfügt Rosneft über 137 Milliarden Barrel Öläquivalente. Der frühere Weltmarktführer ExxonMobil bringt es auf 82 Milliarden. Schon heute ist Rosneft mit Abstand der weltgrößte börsennotierte Ölförderer mit pro Tag 5,7 Millionen Barrel (ExxonMobil: 4,1 Millionen).
Dabei ist der russische Gigant fast noch ein Neuling im Geschäft. Im April 1993 bündelte der Staat einige Unternehmen und Ölfelder unter dem Dach der Neugründung. Gerade unter Präsident Wladimir Putin wurde Rosneft zum Gegenstück gegen die Allmacht der Oligarchen aufgebaut, die sich bei den Privatisierungen bedient hatten. Als der Jukos-Konzern des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski zerschlagen wurde, sicherte sich Rosneft lukrative Teile. Endgültig zum Giganten stieg der Konzern 2013 durch Übernahme der drittgrößten russischen Ölfirma TNK-BP auf, vor wenigen Monaten folgte mit Baschneft per Staatsdekret eine weitere Großübernahme. Inzwischen ist Rosneft so mächtig, dass man selbst Gazprom herausfordert: Man fördert auch mehr und mehr Erdgas und umgeht das Monopol des Konkurrenten beim Pipelineexport, indem man Gas in verflüssigter Form per Tanker ins Ausland liefert. Es sei »nicht auszuschließen, dass wir eines Tages den deutschen Markt beliefern«, so Setschin. Mittlerweile hat man Gazprom selbst beim Börsenwert abgehängt.
Vor allem ab 2004, als Putins früherer Privatsekretär Setschin zum Rosneft-Chef ernannt wurde, begann die Internationalisierung. 2006 kam es zum Megabörsengang in London. Heute hält der britische Ölkonzern BP etwa ein Viertel an Rosneft, ein weiteres Fünftel ist im Besitz des Schweizer Rohstoffhändlers Glencore und des Emirs von Katar. Der Staat ist aber Mehrheitseigner geblieben. Aus gutem Grund: Zum einen ist Rosneft der größte russische Steuerzahler - die hohen Gewinne der vergangenen Zeit halfen, die finanziellen Sanktionsfolgen im Staatshaushalt abzumildern. Zum anderen sind Rohstoffriesen wie Rosneft auch außenpolitisch von großer Bedeutung für die Regierung.
Durch die Staatsnähe ist Rosneft aber auch von den Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise betroffen, Konzernchef Setschin persönlich hat ein Einreiseverbot in die USA. »Die Übertragung von politischen Fehlern auf die Unternehmensebene ist ein Zeichen von Schwäche und illegitim«, kritisierte er. Das sah der Europäische Gerichtshof freilich anders und wies eine Rosneft-Klage gegen die Sanktionen ab.
Ohnehin lebt der Konzern gut mit den Folgen: Der stark gefallene Rubelkurs beschert Rosneft, da Öl in Dollar abgerechnet wird, riesige Profitmargen. Die Förderkosten sind mit 2,5 Dollar je Barrel die mit Abstand niedrigsten unter allen großen Ölkonzernen. Selbst bei einem Ölpreis von 30 Dollar könnte Rosneft laut Setschin höchst profitabel produzieren - aktuell kostet das Barrel rund 53 Dollar. Das liegt auch an der bis März 2018 verlängerten Absprache zwischen Saudi-Arabien und Russland, die tägliche Ölförderquote zu deckeln. Das hat die Preise stabilisiert.
»Wir haben uns angepasst - wie genau, kann ich hier nicht schildern«, sagte Setschin verschmitzt zum Thema Sanktionen. So konnte der Konzern ein neues Förderprojekt im Schwarzen Meer mit der italienischen ENI starten. Und auch in Deutschland hat man Expansionspläne. Investitionsprojekte, sagt der Rosneft-Chef, sind eben »langfristiger angelegt als gewisse politische Zyklen«.
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